Gonzosophie
31. Oktober 2007
"Jede Woche eine neue Welt"
gonzosophie | 31. Oktober 07 | Topic 'aktuelles'
Worauf eben diese Welt gewartet hat ....

Nachtrag: A propos... eben ist mir in den Sinn gekommen, dass man als Firmpate vielleicht mit einem Geschenk aufwarten sollte. Nun gibt es weißgott Menschen, die sich besser in ein kleines, blondes Mädchen hineinversetzen können, das nicht allzuviel liest aber dennoch ein Buch geschenkt bekommen wird. Hat jemand Ideen (Buchtitel)? Dann macht dem Paten ein Angebot, dass er nicht ablehnen kann...

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29. Oktober 2007
Rechtsstaat
gonzosophie | 29. Oktober 07 | Topic 'aktuelles'
"'Ich fragte den Beamten in was für einem Land wir eigentlich leben und er antwortete “In einem sicheren” . Zum Schluss wurde uns dann auch die Hand gereicht."'

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17. September 2007
"I am not in the condition to fuck ... Sieg Heil!"
gonzosophie | 17. September 07 | Topic 'aktuelles'
Eben noch ein Glas Rosé getrunken und mal wieder ein wenig „Das Boot“ geguckt. Irgendwie treffend für meine Situation. Dabei merkte ich, dass englische Untertitel oft völlig andere Dialoge vortäuschen. Naja, einiges bleibt auch unberührt.
Unabhängig davon entwickelter Aphorismus: Man trifft sich niemals zweimal.
Zusätzliche Idee: Da Hitler über die WM in den Medien äußerst unbeliebt geworden ist, mittlerweile fast zum alten Eisen gehört, müsste man ihn in die neuen Fernsehformate transferieren: „Hitlers Köche – Blitzschnelle VegetArische Küche“, „Die 10 witzigsten Schlachten der 40er Jahre“, „Was der Führer noch wusste – Das Generationenquiz“. Moderieren könnte die Jauche bspw. Gottschalk o.ä..

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30. August 2007
Bundestrojaner
gonzosophie | 30. August 07 | Topic 'aktuelles'
Es gibt Worte, deren lapidare Komik mich fasziniert. Meist schaffen sie dies noch mehr in Relation zu ihren offiziellen Entsprechungen, in diesem Falle „Remote Forensic Software“. Überraschenderweise zeigen die Bundesformulierer oft mehr Kreativität als ihre medialen Gesprächspartner, man denke nur an die phänomenale Umformulierung des Begriffes „gezielte Tötung“ zu „finaler Rettungsschuss“. Ich stelle mir diesen Beruf sehr schön vor, den ganzen Tag in einem Büro sitzen. Rauchen. Emails schreiben. Und alle paar Monate einen neuen Euphemismus/Pejorativ erfinden. Dem Widerpart einen Schritt voraus sein. "Verdammt, was machen wir denn aus 'Internierung von Verdächtigen' ...." Das ist kultiviert, das erzählen die eigenen Kinder auch gern in der Schule ohne sich zu schämen. Weiß jemand, wie man hier einen Einstieg findet?

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9. August 2007
Gebt den Kindern Kommandos!
gonzosophie | 09. August 07 | Topic 'aktuelles'
Das Leben ist kein Zuckerschlecken, und soll es auch gar nicht sein, denn Zucker schädigt die Zähne und macht dick. Zuckerschlecken ist schädlich für die Volkswirtschaft und Volksgesundheit. Nur gut, dass Kinder heute keinen Zucker mehr schlecken. Sie trinken Mineralwasser, damit sie besser in ihre Marken Anziehsachen passen. Der neuen OZ war das gestern eine Titelseite wert, denn Jugendliche werden immer mehr zu Vollzeitverbrauchern. Durchschnittlich verfügen 6 – 13 Jährige im Jahr über ein Budget von gut elfhundert Euro. Den Großteil davon geben sie für Markenkleidung und Elektronikartikel aus, jedoch auch für Körperpflegeartikel, Parfüms und Deos. Naschwerk konsumieren mehrmals die Woche nur noch etwa 40%. Der Trend geht zu „Functional Food“. Es boomen Gymnastik-, Yoga- und Fitnesskurse für Grundschüler. In NRW soll die 6 Tage-Woche an Schulen wieder eingeführt werden und deutschlandweit werden seit Jahren bereits Ganztagsschulen gefördert. Das Kind ist Leistungsträger – Ausfälle, notorische Leistungsverweigerer müssen therapiert und medikamentös eingestellt werden: Krankheitsbild ADHS. In Schulen wird mittlerweile Lerndoping betrieben, so meldet heute Tagesschau.de. Schüler tauschen untereinander Ritalin und andere konzentrationssteigernde Medikamente aus, deren Zusammensetzung und Wirkung derer des Kokains nicht unähnlich ist. Ziel ist allerdings nicht Rausch sondern Effizienzsteigerung, Bestnoten. Die Kinder sind angekommen in unserem Gesellschaftsbild.
Vor nicht allzu langer Zeit geisterte durch die Medien das Schreckensbild des fetten, dummen und gewalttätigen Problemkindes: Das hat offenbar gewirkt. Eltern sind bereit alles zu tun, damit ihre Nachzucht vollständig erfasst, trainiert, herangebildet und ausgerichtet wird. „Der Staat“ übernimmt ganzheitlich die Erziehung der Kinder nach nachhaltig wirtschaftlichen Kriterien. Da bleibt nur die Frage vor welcher Gruppe man sich mehr fürchtet: Vor den Fetten oder den Businesskaderkindern…

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2. August 2007
für zwischendurch
gonzosophie | 02. August 07 | Topic 'aktuelles'
Das Leben ähnelt ein wenig dem Autofahren, sturzbetrunken. Man weiß, jeden Augenblick kann etwas Schreckliches passieren, doch bis der Hammer fällt, hofft man nur das Beste. Während man lenkt, merkt man, nicht Herr der Lage zu sein. Heute fährt niemand mehr betrunken, es ist unmoralisch geworden. So wie das Rauchen. Die leichtfertige Extremfallgefährdung von Menschen ist politisch nicht mehr vertretbar - solange sie sich nicht finanziell rechtfertigen lässt.
‚Wirtschaftsstaatssekretär Wuermeling hat das Bundesumweltministerium vor überzogenen Vorschlägen zum Kllimaschutz [sic] gewarnt. Die volkswirtschaftlichen Kosten für die Schutzmaßnahmen müssten so "gering wie möglich gehalten" werden, sagte der CSU-Politiker’
So tagesschau.de heute. Ich mag die Nachrichten nicht mehr verfolgen, mag nichts neues mehr hören. Als wenn es das gäbe: Neues… Auch ich muss meinen Alltag optimieren, die Effizienz steigern. Für so etwas wie Weltgeschehen gibt es in meinem Umfeld keine Verwendung. Ich suche nach anderen Zeitvertreiben, Pausenfüllern, wie ich selbst einer bin. „Sterben, schlafen [–] nichts weiter“

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18. Juli 2007
Vorratsdatenspeicherung
gonzosophie | 18. Juli 07 | Topic 'aktuelles'
Momentan frage ich mich nachts des Öfteren, was mal von mir bleiben wird. Welche Spuren hinterlässt ein Mensch in einer Zeit, die den Trend zur Feuerbestattung oder gar ökologischen Gefriertrocknung besitzt? Etwas Asche, ein paar Pfund Menschenmehl. Was soll da noch auf einen verweisen, anzeigen: „Hier hat es einmal jemanden gegeben, ein Individuum“. Unsere Identität hat keine Haltbarkeit mehr, wird virtuell. Wie lange wirst du bei Flickr zu finden sein? Alles was wir über uns mitzuteilen haben, vertrauen wir kurzfristigen Medien, wird verstaut auf gemietetem Speicher. Irgendwann kommt der Entrümpler. Unsere Bilder, so wie die andern Zeugen unseres Lebens, landen auf keinem Flohmarkt, sie werden einfach gelöscht. Meine Welt wird mit mir sterben, spurlos vergehen. Für sie gibt es keine Nachfrage. Was ohne Nachfrage bleibt, verliert die Existenz. Das ist Web 2.0

Dennoch, ein Hoffnungsschimmer bleibt: Wolfgang Schäuble, der tapfere Grande nachhaltiger Speicherung persönlicher Daten, genannt Vorratsdatenspeicherung. Deren witzige Effektivität wurde nun endlich unter realen Bedingungen dokumentiert: Sie vermag es laut einer Studie des Bundeskriminalamtes (!) die Aufklärungsquote "von derzeit 55 % im besten Fall auf 55,006 %" zu erhöhen. Ihre Verbesserung der Präventivwirkung falle übrigens noch geringer aus, allerdings nur um 0,006 Prozentpunkte.
Ich mag sie trotzdem, denn meine schlichte Hoffnung besteht nun dahingehend, dass der bürokratische Überwachungsapparat bald sogar die Unschuldsvermutung gegenüber dem verstorbenen Bürger verliert. Schließlich könnten auch sie nur scheintot sein, des Identitätsdiebstahls wegen - Rente gibt’s ja eh keine mehr. Somit wäre eine gewisse Chance dafür gegeben, dass meine Gedanke, Worte und Werke als potentielle Hinweise auf mea culpa doch noch einige Jahre nach mir auf dem Planeten verweilen. Vielleicht liest sie ja ein Polizist oder sonstiger Schließer ein letztes Mal bevor sie endgültig gelöscht werden – das wäre schön.

Nun nochmal zu den Gedanken, Worten und Werken eines viel …. naja, eines anderen Zeitgenossen. Endlich gibt es das viel zitierte, und auch von mir mehrfach angesprochene Spiegel-Interview mit Wolfi Schäuble in voller Länge auf den Seiten des Innenministeriums nachzulesen. Ich wollte eigentlich einige Zitate daraus anführen, aber ich kam aus dem Haare raufen nicht mehr heraus. Es lohnt wirklich, es sich selbst im Ganzen zu Gemüte zu führen. Vielleicht vorher eine kleine Kostprobe gefällig? Na gut!

„SPIEGEL: Kann es sein, dass der Preis der Sicherheit so hoch ist, dass sich der Rechtsstaat aus Angst vor dem Terror aufgibt?

Schäuble: Andersrum ist es richtig. Die freiheitliche Verfassung wäre gefährdet, wenn wir den Eindruck erwecken würden, wir könnten weniger Schutz gewähren als andere, weniger demokratische Staatsformen.

SPIEGEL: Wäre es sechs Jahre nach den Anschlägen des 11. September und vor dem Hintergrund von Guantanamo nicht an der Zeit, dass der deutsche Innenminister sagt: Wir sind wachsam, aber eine bestimmte rote Linie werden wir nicht überschreiten, weil das unsere Gesellschaft unwiderruflich verändern würde?

Schäuble: Diese Frage kann ich nicht akzeptieren. Ich wünsche mir eine Diskussionskultur, wo es weniger hysterisch zugeht. Die rote Linie ist ganz einfach: Sie ist immer durch die Verfassung definiert, die man allerdings verändern kann.“


Was soll man da noch hinzufügen? Forderungen, Herr Schäuble solle das Grundgesetz, welches er ja zu schützen vorgibt, vorher wenigstens einmal lesen gehen dann ins Leere, wenn dieses Grundgesetz für ihn keinen festen Grund hat. Es zu einer je nach Bedarfsfall veränderbaren Arbeitskonvention wird. Es gibt für ihn offensichtlich keinen weltlichen aber unumstößlichen Wertekanon, wofür er von unserer medienwirksam wankelmütigen Kanzlerin dann auch ausdrücklich gelobt wird. Es soll nunmal keine Denkverbote geben – auch das Verbot von Gedanken muss denkbar bleiben.

Das interessanteste dabei bleibt jedoch die stoische Gelassenheit der Deutschen, Heise meldet heute: „Laut einer Umfrage des Stern fürchten 54 Prozent der Bundesbürger, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble einen Überwachungsstaat schafft. 41 Prozent bewerteten die bisherige Arbeit des Ministers als ‚befriedigend:. 14 Prozent gaben die Note ‚gut’, 2 Prozent ein ‚sehr gut’. Knapp ein Drittel ist unzufrieden: 21 erteilten ein ‚ausreichend’“. Während die Mehrheit sich also durchaus der Ausbildung eines Überwachungsstaates bewusst ist, reagiert nur ein drittel mit Unzufriedenheit - lassen se den doch mal einfach machen, gell? Alles in allem nur noch frustrierend.

Also, was rät uns nochmal das Systemprogramm des deutschen Idealismus? Richtig!
„daß es keine Idee vom Staat gibt, weil der Staat etwas Mechanisches ist, so wenig als es eine Idee von einer Maschine gibt. Nur was Gegenstand der Freiheit ist, heißt Idee. Wir müssen also über den Staat hinaus! – Denn jeder Staat muß freie Menschen als mechanisches Räderwerk behandeln; und das soll er nicht; also soll er aufhören.“

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17. Juli 2007
Skulpturen Projekte 2007
gonzosophie | 17. Juli 07 | Topic 'aktuelles'
Dass moderne, postmoderne oder gar Gegenwartskunst immer und unbedingt der Kontextualisierung bedarf um über ein ?...?! hinaus zu kommen war zumindest mein Vorurteil. Schließlich benötigt der Zwang zur Abstraktion, zur Brechung, Neuverortung und Revolution immer erst einen Zusammenhang, ein Establishment, welches überwunden oder auf das zumindest angespielt werden muss. Dass man mit solchen Präfixen allerdings auch falsch liegen kann, bewies mir mein heutiger Bummel über die Sculptura. Zugegeben, ein Großteil der Werke bleibt mir als ignorantem Laien selbst mit Kommentar an der Hand gänzlich verschlossen.



Die Nachbauten der wuchtigen Lamberti-Käfige jedoch, die noch in Sichtweite des Kirchturmes Assoziationen verwesender Outsider in die Fußgängerzone holen, bestechen nicht erst in der Reflexion. Auch die Widerbelebung des alten Programmkinos am Bahnhof mit geradezu aufdringlichen Bildern aus dem Alltag dieses Verkehrsknotenpunktes wirkte. Alles in allem bin ich recht positiv überrascht, muss ich doch konstatieren, dass etwa bei sprenkelnden Güllewagen, scheißenden Ziegen oder Pferden, denen der Arsch juckt, wenn auch nicht hochtrabende Inspiration, so doch zumindest der kindische Unterhaltungswert nicht ganz verloren geht.



So wie mir scheint es offenbar auch den meisten Besuchern zu gehen, welche dieses kulturelle Ereignis als mehr oder weniger obligatorischen Termin in ihre Freizeit integrieren und zwischendurch Kniften knabbernd auf den vielen Parkbänken herumlungern. Ich frage mich ob dies die Nachwirkungen eines eigentlichen vergessenen Ideals vom Bildungsbürgertum sind, dessen Aufrechterhaltung ich dem gemeinen Münsteraner durchaus zutraue. Hier wird eben noch samstags im Theaterfoyer gestanden! Im Angesicht der armen Gebilde, die diese Massen desinteressiert kauender und schauender Menschen mindestens hundert Tage bis zu ihrer Disposition ertragen müssen, stimmt mich meine asexuelle Objektophilie allerdings traurig: „But these people keep on moving and that’s what tortures me“. Dem Werk, so avantgardistisch es sein mag, bleibt jeglicher Aufbruch und Ausbruch verwehrt – Ein Trauerspiel. So bleiben die Käfignachbauten für mich auch das bezeichnende Werk für diesen Tag.
Der Trauerschwan „Petra“, das sei zum Schluss und als Happy End erwähnt, ist derweil wieder auf freiem Fuß. Sie erfreut sich immer noch der Liebe zu ihrem schwanenförmigen Tretboot. Bei meinem Besuch döste sie gerade mitten unter den am Aaseeufer äsenden Kulturliebhabern.



So erfüllend kann Objektophilie dann doch sein!

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12. Juli 2007
Der Schadminister und die Problemmoslems („Knallt die Bestie ab“)
gonzosophie | 12. Juli 07 | Topic 'aktuelles'
Ein Rauschen ging dieser Tage durch mediale Wälder, das kaum zu überhören war. Es begann mit dem Bekanntwerden einiger Absichten unseres wohlvertrauten Bundesinnenministers der enduring freedom wegen. Das Thema waren die „Gefährder“, jene bösen Machenschaftler, welche in den vergangenen Jahren in Deutschland soviel Leid und Tod verursacht haben.
Nun, die Forderungen und ihre Umstände sind ja mittlerweile schlicht bekannt, auch an welchen tragenden Stämmen der gute Wolfgang sägen möchte (1). Interessanter dabei sind jedoch die Reaktionen, von der obligatorischen Empörung einmal abgesehen. Obwohl, diese ist ja nun doch etwas größer, als bei allen Eskapaden, die er sich davor in wöchentlicher Folge gönnte. Mag daran liegen, dass nun alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, es gibt kein Mehr nach „knallt sie ab“.

Und so scheint es nicht verwunderlich, dass selbst Günther Beckstein, auf dem falschen Fuß erwischt, distanziert reagierte und zumindest zur Vorsicht mahnte (2). FDP, Grüne SPD und Linkspartei, na klar, reagierten verstört bis entsetzt und mit den üblichen Rücktrittsforderungen. Der Schadminister „werde zur Belastung“, wenn er dazu übergehe, die Freiheit „zu Tode zu schützen“(3). Ganz nebenbei, dieser Versuch einer lustigen Paradoxie scheitert schon an der Grundaussage, da „Freiheit schützen“ ein ähnliches Unding ist, wie den „Frieden zu verteidigen“ und dies notfalls mit Gewalt. Jedenfalls hatten nun alle was sie wollten: Die CDU war wieder ein schönes Biergespräch und die berühmten Studentinnen, die auf dem Teppich sitzend alle Probleme der Welt zerreden, konnten einstimmig ihre Claudi Roth Puppe knuffeln und Schiller zitieren (4 – an manchen Autoritäten kommt man nicht vorbei).

Spulen wir etwas vor, genau 3 Tage bis zum 10.07.07. Nach kurzer Zeit des schönen Schauspiels parteipolitischer Profilierung hören wir nun plötzlich von Herrn Struck: Darüber „wird man reden können“ (5). Was genau meint er? Natürlich nicht die „völlig unakzeptable“ Tötung von Verdächtigen, sondern nur die harmlose Internierung und soziale Beschneidung. Auch wenn er den „Überwachungsstaat“, wie er zu diesem Zeitpunkt sagt, nicht haben will. Aber irgendwie muss man den nützlichen Dönerali ja vom problematischen Hassbombenmurat unterscheiden und dann auch scheiden können, wo doch Fragebögen uns offenkundig hier nicht weiterhelfen. Und vom Überwachungs- oder gar Tötungsstaat sprach Schäuble schließlich auch nicht. Er ist ja, trotz unterstellter Traumata (6), nicht doof.

Verbirgt sich da ein Mechanismus (7)? Es liegt jedenfalls nicht fern und ist auch an diversen Stellen so bezeichnet worden. Man mag auch einige Parallelen etwa zu Tarifverhandlungen sehen – doch anstatt ums einheitliche Geld, geht’s hier um Rechte vs. Sicherheit. Das nur am Rande, die Feinmechanik der politischen Maschine überlasse ich lieber anderen. Fest steht: Internierung wird zum Konsens der großen Koalition. Was sich hier aufdrängt ist nicht die Frage, wäre das unter Rot-Grün oder Schwarz-Gelb möglich gewesen sondern eher: Wäre das ohne die beschriebene Inszenierung etwa schon vor 2 Wochen möglich gewesen? - Wohl kaum.

Welchen Schluss, ohne Vorträge über politische Ehrlichkeit (ha!) und den Verfall von Werten (haha!), kann man daraus ziehen? Das Wahlziel der Partei geht in Erfüllung, die Mauer wird gebaut (8). Nur leider nicht nur eine, sondern zwei, drei, viele Mauern mit schön Stacheldraht herum und Flachdach obenauf. Vielleicht fordert Wolfgang nächste Woche noch die Abschottung, Umzäunung und Bewachung Neuköllns. Man weiß es nicht, aber ist auf alles gefasst. Der Bundesbürger wurde schon darauf eingestimmt und ist zumindest froh, nicht abgeknallt zu werden. Für den Moslem sieht es leider anders aus, da mag er Integrationsgipfel verweigern wie er will. Schließlich muss er damit rechnen eingefangen, oder sogar final rettungserschossen zu werden, bevor er sich zu sehr an die Menschen hier gewöhnt, der olle Gefährderbär.

Mehr zum Thema:
http://www.spiegelfechter.com/wordpress/179/staatsfeind-nr-1



(1) http://www.heise.de/newsticker/meldung/92437
(2) http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID7077888,00.html
(3) http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID7077196,00.html
(4) http://gonzosophie.blogger.de/stories/848103/
(5) http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID7084708,00.html
(6) http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25046/1.html
(7) http://en.wikipedia.org/wiki/Overton_window
(8) http://www.iley.de/index.php?pageID=20000000&article=00000115

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9. Juli 2007
Wolfgang Schäuble: "Gefährder" der Inneren Sicherheit
gonzosophie | 09. Juli 07 | Topic 'aktuelles'
Der gute Schiller wirkt bei mir nach: „Dem Menschen ist aller Wert geraubt,/wenn er nicht mehr an die drei Worte glaubt“. Er sprach damals von Freiheit, Tugend und auch von einem höchsten Gedanken f.k.a. Gott. Haben wir dergleichen Worte heute noch? Um konkret zu werden sollte man dabei vielleicht auf eine Institution zurückkommen, die gemeinhin als vertrauenswert dargestellt wird. Wenn auch nicht direkt an das Innenministerium, so sollte man zumindest den Aussagen seiner Vertreter üblicherweise glauben dürfen - damit auch Herrn Schäuble seine Absicht, zukünftig „Gefährder zu behandeln wie Kombattanten und zu internieren [sic!]“. Die Handlungsoptionen reichen allerdings noch weiter, etwa zu „Extremfällen wie dem so genannten target killing“ dieser ‚Gefährder’ (was oder wen auch immer sie nun gefährden). Der grundgesetzeswidrige Katalog von Maßnahmen, die auch kommunikative Isolation, Abschiebung und diverse Überwachungsmaßnahmen auf sämtlichen Ebenen beinhalten, veranlasst Wolfgang nun dazu, ihre Ermöglichung „verfassungsrechtlich zu klären und Rechtsgrundlagen schaffen, die uns die nötigen Freiheiten [abermals sic!] im Kampf gegen den Terrorismus bieten.“
Nun ist weißgott schon viel über den Widersinn des Wortes Freiheit in Bezug auf ‚Anti-Terror Kampf’ geschrieben worden, aber dies bleibt bei allem Zynismus einfach nur bemerkenswert: Er fordert die Freiheit ein, Freiheiten missachten zu dürfen.
Kann man ihm das nun übel nehmen? Wahrscheinlich nicht, ist es doch seine Aufgabe als Politiker für uns die Komplexität undurchschaubarer Vorgänge anschaulich und begreifbar zu machen. Es gibt kaum einen undurchschaubareren Vorgang als die akute Bedrohung der Deutschen durch internationalen Terrorismus. Sie lauert überall und eben auch: nirgends. Da es abgesehen einiger weniger, misslungener Vorfälle keinerlei konkrete Anzeichen für sie gibt, ist es nur plausibel sie eben überall dort zu vermuten, wo man sie nicht sieht. Diesen Verdachts-Mechanismus gab es bereits zur Zeit des kalten Krieges: Da Amerikaner keinerlei Anzeichen dafür fanden, dass die russische Marine an verbesserten akustischen Ortungsmethoden von U-Booten arbeitete, zogen sie den Schluss, dass die Russen wohl ein fortschrittlicheres, beispielsweise thermisches oder magnetisches Ortungssystem entwickelt haben mussten. Die Nichtexistenz einer Bedrohung wurde zum Beweis einer viel schlimmeren Bedrohung, für die keine Beweise existierten. Und so mussten weit reichende Vorkehrungen getroffen werden, eben diese Bedrohung zu eliminieren.
Und so brauchen wir nun offensichtlich gesetzliche Grundlagen dafür, dass die Bundeswehr vor Fußballstadien Personalien kontrollieren und Durchsuchungen vornehmen darf. Notfalls muss sie dann auch berechtigt sein, mit einem target killing Marschflugkörper in ein Nest von Gefährdern zu schießen - die rote Flora wäre sicherlich ein begehrtes Ziel. Sicher alles notwendig um der horrenden Zahl von Terrorismustoten in Deutschland endlich Herr zu werden. Und anders als die Beschneidung des Rechts auf unbegrenzter Reisegeschwindigkeit, mit der man nur maximal 662 Menschen jährlich retten könnte, sind Online Durchsuchungen und gezielte Tötungen in eben diesem höchst wichtigen Auftrag gerechtfertigt.
Und doch bleibt es irgendwie paradox. Gesetze sollen für uns den komplexen Alltag strukturieren und damit vereinfachen. Sie sollen Kontingenz beschneiden oder zumindest verständlich machen. Dabei resultiert aus jeder Maßregelung der Komplexität, aus jedem Gesetz Unfreiheit. Gerade die Möglichkeit, ja die Notwendigkeit frei zu denken wird durch Schablonen und Verbote eingeschränkt. Paradox wird es bei Gesetzen, die uns Freiheiten garantieren sollen. Noch seltsamer allerdings in eben unserem Fall: Gefordert werden Gesetze, die Freiheiten schaffen sollen von anderen Gesetzen, die Freiheiten garantieren sollen. Auch wenn man die Legislative als dynamisches System betrachtet, muss man angesichts dieser extremen Art der Dialektik schon staunen.
Verwirrt dadurch flüchte ich mich einfach zu Kant, dem verbriefte Rechte in jedem Falle mehr bedeuteten als materielle Sicherheit. Und eben auch zu Schiller, der noch an die Idee der Freiheit glaubte und das der Wert des Menschen maßgeblich mit dieser verbunden sei. Sie sollte nicht verdächtigt oder gefürchtet werden. Für ihn war Freiheit eines der Worte des Glaubens, und gerade durch sie charakterisierte er auch den Menschen:

„Der Mensch ist frei geschaffen, ist frei,
Und würd’ er in Ketten geboren,
Laßt euch nicht irren des Pöbels Geschrei,
Nicht den Mißbrauch rasender Toren.
Vor dem Sklaven, wenn er die Kette bricht,
Vor dem freien Menschen erzittert nicht.“

(Friedrich Schiller, Die Worte des Glaubens / Wolfgang Schäuble, zit. nach tagesschau.de, 07.07.07 13:21)

Mehr zum Thema:
http://gonzosophie.blogger.de/stories/851411/

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