von Fischen und ganz kleinen
gonzosophie | 12. Februar 08 | Topic 'aktuelles'
Als ich heute für einen Freund eine Bewerbungsmappe kaufte, da er sich auf die gleiche Stelle bewirbt wie ich selbst, von der ich auch nur durch ihn erfahren hatte, ging mir endlich auf, warum wir Geisteswissenschaftler und Germanisten nicht für den Stellenmarkt geeignet sind: Wir haben das ganze einfach nicht richtig verstanden. Diesen Geistesblitz wollte ich dann für mich behalten um zukünftig einen Wettbewerbsvorteil ihm gegenüber zu haben. Auch dazu war ich leider nicht fähig. Vielleicht ist das mein einzger Wettbewerbsvorteil. Wohl eher nicht.
Einkaufsreflexionen
gonzosophie | 31. Januar 08 | Topic 'aktuelles'
Jeder Europäer verbraucht im Jahr durchschnittlich 13 kg Klopapier. Dies verschafft mir als unsensiblem Mann, dem zwei Lagen graues, raues Papier komfortabel genug erscheinen, einen entscheidenden Gewissensvorteil: Sollte zukünftig irgendjemand (vorzugsweise weiblich) mir fehlendes ökologisches Gewissen unterstellen, werde ich erst mal untersuchen ob auf dem Klo nicht vielleicht, wie so oft, 4-lagiges, gefärbtes, parfümiertes, wattiertes, gebleichtes und beschichtetes Toilettenpapier zu finden ist. Wenn ja, verbraucht betreffende Person im Laufe ihres Lebens ein kleines Waldstückchen nur für den Arsch, ich dagegen komme mit ein paar recycelten Bäumchen aus. Folglich bin ich der bessere Mensch.
Heute (Gestern) an der WWU
gonzosophie | 31. Januar 08 | Topic 'aktuelles'
Der Vortrag: Habermas am Hindenburgplatz, dies zur 75. Jährung des Tages, an dem Hindenburg die Macht an Hitler übergab - Zusammenhang wohl kaum beabsichtigt. Dass ich Herrn Habermas 2 Stunden vorher auf Kreide für ein Referat meinerseits anschnorren musste, da in dem für ihn vorbereiteten Vorbesprechungsraum viel mehr von diesem kostbaren Gut vorhanden war als sonst jemals in irgendeinem der Seminarräume, sagt wohl mehr über den Stand der Philosophie in der heutigen Gesellschaft aus.
Der Starkult jedenfalls ist ungebrochen. Auch eine halbe Stunde vorher angekommen war es unmöglich Habermas’ Vortrag auch nur per Videoleinwand mitzuverfolgen. Was diese ganzen Menschen und Studenten sich davon erwarteten, man weiß es nicht, scheren sie sich doch wohl kaum alle um, nennen wir es wirkliche Probleme. Ich war also gezwungen statt dem mit einem Kommilitonen ein Bier trinken zu gehen. Sicher kein Habermas, aber zumindest angerissene Gespräche über Hannah Arendt. Wir sind die Kreide von Morgen.
Der Starkult jedenfalls ist ungebrochen. Auch eine halbe Stunde vorher angekommen war es unmöglich Habermas’ Vortrag auch nur per Videoleinwand mitzuverfolgen. Was diese ganzen Menschen und Studenten sich davon erwarteten, man weiß es nicht, scheren sie sich doch wohl kaum alle um, nennen wir es wirkliche Probleme. Ich war also gezwungen statt dem mit einem Kommilitonen ein Bier trinken zu gehen. Sicher kein Habermas, aber zumindest angerissene Gespräche über Hannah Arendt. Wir sind die Kreide von Morgen.
Schiffe versenken
gonzosophie | 23. Januar 08 | Topic 'aktuelles'
"Merkel bei Sondervorstellung des Films «Die Gustloff»
Berlin (dpa/bb) - Mit prominenten Zuschauern hat am Dienstagabend eine Sondervorführung des ZDF-Zweiteilers «Die Gustloff» für den Bundestag begonnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Kulturstaatsminister Bernd Neumann (beide CDU) und die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sahen sich den Film über die schlimmste Schiffskatastrophe der deutschen Geschichte an. Rund 9300 Menschen ertranken beim Untergang des Passagierschiffs «Wilhelm Gustloff» am 30. Januar 1945 in der eiskalten Ostsee. "
Ist das nur mein Gefühl oder behandeln nunmehr sämtliche nennenswerte TV-Produktionen aus den verbliebenen deutschen Landen die Not und Ungerechtigkeit, unter welchem der Volkskörper durch die heranrückenden roten/kapitalistischen Horden leiden musste? Sehr Anständig, dass auch Dr. Merkele sich davon durchaus angetan zeigt. Also freuen wir uns auf dieses neue UFA Spektakel mit Starbesetzung.
"Bis auf weiteres senden wir Marschmusik."
Berlin (dpa/bb) - Mit prominenten Zuschauern hat am Dienstagabend eine Sondervorführung des ZDF-Zweiteilers «Die Gustloff» für den Bundestag begonnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Kulturstaatsminister Bernd Neumann (beide CDU) und die Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sahen sich den Film über die schlimmste Schiffskatastrophe der deutschen Geschichte an. Rund 9300 Menschen ertranken beim Untergang des Passagierschiffs «Wilhelm Gustloff» am 30. Januar 1945 in der eiskalten Ostsee. "
Ist das nur mein Gefühl oder behandeln nunmehr sämtliche nennenswerte TV-Produktionen aus den verbliebenen deutschen Landen die Not und Ungerechtigkeit, unter welchem der Volkskörper durch die heranrückenden roten/kapitalistischen Horden leiden musste? Sehr Anständig, dass auch Dr. Merkele sich davon durchaus angetan zeigt. Also freuen wir uns auf dieses neue UFA Spektakel mit Starbesetzung.
"Bis auf weiteres senden wir Marschmusik."
Romantik - eine Affäre mit der Welt und der deutsche Seitensprung
gonzosophie | 20. Januar 08 | Topic 'aktuelles'
Rüdiger Safranski legt nach. Auf seine großartige Schillerbiographie folgt eine Betrachtung der „Romantik“, „eine deutsche Affäre“. Nach einer geschichtlichen und geistesgeschichtlichen Darstellung dieser Epoche bleibt vor allem die für Safranski typische Frage, der er schon eine frühere Monographie widmete: „Wieviel Wahrheit braucht der Mensch?“. Wie viel Phantasie verträgt er?
Die Frage scheint allgemeines Interesse hervorzurufen, ist doch auch dieses Buch ein kommerzieller Erfolg und seit einigen Wochen auf der Bestsellerliste des Spiegels zu finden. Romantik ist Geistesgegenwart, so scheint’s. Liest man dieses Werk, geht einem schnell auf warum. Romantik ist notwendiger Teil unserer Kultur, ob das nun gut ist oder schlecht. Auffällig ist tatsächlich wie viele völlig unterschiedliche Menschen, Parteien usw. sich gegenseitig immer wieder den Vorwurf der sozialen, politischen oder sonstwie verorteten „Romantik“ machen, ob nun letztes Jahr („In der Jungen Union gilt Rüttgers inzwischen als unverbesserlicher Sozialromantiker“ süddeutsche.de) oder vor mehr als hundert. Trotzdem, Safranskis ausführliche, geschichtliche Betrachtung endet bei den späten 68ern, welchen er keinen zu großen Einfluss auf die nachfolgende, das heißt heutige Gesellschaft zuspricht. Vielleicht lässt er aktuellere Beispiele deshalb lieber außen vor. Was aber ist nun dieses unauflösbare Unbehagen gegenüber der modernen Gesellschaft, was ist Romantik?
Mit Novalis ist sie „nichts als qualitatives potenzieren“. Ganz pragmatisch: „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, romantisiere ich es.“ Das Gemeine, Krude, Gewöhnliche wird mit dem Sinn für Unendlichkeit aufgewertet. Wo wir sonst nur bloßes Dasein sehen, gibt die Dunkelheit der Vorstellungskraft Flügel. Dies sagt er in einer bodenständigen Zeit, die von einer Werteinflation geprägt ist. Es kommt zum Kampf gegen die Wertlosigkeit dieser Zeit in eben dieser qualitativen Aufwertung des nunmehr Gewöhnlichen. Der Schein muss heute dem Licht weichen, die Dinge sich durch eine entkleidete Sprache benennen lassen. Romantik stemmt sich dieser hereinbrechenden Verendlichung der Welt entgegen, sie tritt mit der Moderne auf als Tochter der Aufklärung. Auch wenn das Publikum heute vielerorts unbeeindruckt erscheint, der Auftritt der Vernunft ist noch nicht beendet und damit behält auch die Romantik ihre Rolle.
Wird sie dabei Vielen von Anfang an als Abwehrreaktion verdächtig, ist dies nicht grundlos. Sie führte den Großteil ihrer Vertreter, ihrer geistigen Väter in die Vereinsamung, zu einer vita contemplativa. Die Menschenwelt der Märkte, der Maschinerie und der Statuten wollte und will sich kein geheimnisvolles Ansehen geben lassen, nicht mal ein unheimliches – sie erscheint banal unmenschlich, unromantisch.
„Ich kehre in mich selbst zurück und finde eine Welt“. Romantik ist in ihrem Wesen gerade deshalb von hoffnungsloser Weltfremdheit und Vereinsamung gekennzeichnet - sie strebt in die Nacht, in das Bergwerk. Jede Bewegung geht vom Zuwider aus. Gleichzeitig prägt die Romantik eine hoffnungsvolle Weltumarmung, die Einheitssehnsucht um die Zersplitterung der Moderne zu überwinden, das verlorene Paradies wiederzuentdecken. Was als Konkretes, als Gegenüber so abstoßend und zurückweisend empfunden wird, gewinnt gerade unter dem Schleier der Ferne, Allgemeinheit und Endzeiterwartung an Wert, Schönheit. Wo man den Menschen nicht lieben kann, entdeckt man die Menschengemeinschaft. Wo dem freien Leben alles Sterbliche bedrohlich wirkt lockt Thanatos, der Tod, die Ruhe selbst. Man schwingt zwischen den Extremen. Exemplarisch hierfür tritt abermals Novalis auf. Die heftigsten Gefühle für seine, nach kurzer Ehe verstorbene Frau empfindet er am Grabe. Jahrelang besucht er es fast täglich. Eine ferne, ideale Liebe, die er diesseitig so nicht mehr finden wird. Er schwärmt für die andere Seite. Diese typische Schwärmerei treibt dabei oft radikale Blüten. Man denke an Nietzsche. Die Romantik liebäugelt mit den Extremen, mit heutigem Vokabular könnte man vielen Romantikern Extremismus unterstellen.
Im Feindesland der Realität, gerade in der„Zersplitterung der Moderne“ entwickelt sich aus ihrer Sehnsucht nach Versöhnung und Gemeinschaft jener Zwiespalt, welcher nicht nur für die geistesgeschichtliche Romantik prägend bleibt. Vor allem die negative Rezeption entspringt der Vernachlässigung dieser Bipolarität. Wie Safranski ganz richtig anklingen lässt, war die Romantik gerade den politischen Extremisten viel zu versöhnlich, gleichzeitig zu lethargisch und schleierhaft. Mit Romantikern lässt sich schlecht die Macht ergreifen. Dennoch wird sie zu vorderst in Deutschland für Phänomene verantwortlich gemacht, denen sie oft nicht viel mehr als Ausschmückung war. Vor allem eine Ideologie, die auf Fortschrittsglauben, pseudowissenschaftlichen Theoremen und der Entzweiung (Kampf) als angebliche Fundamente des Seins aufbaut, muss diese verliebt, verlassene Schwärmerei ablehnen, muss mit den Worten Goebbels eine „stählerne Romantik“ fordern.
Das sich eine solche Ideologie einen romantischen Anstrich gibt, den romantischen Habitus nicht gänzlich aufgeben mag, ist dabei verständlich. Romantische Strukturen und Argumentationsweisen, wie Safranski anschaulich macht, zeigen sich überall dort, wo die fundamentalen Probleme und Zerwürfnisse der modernen Welt als solche erkannt und als schmerzlich empfunden werden. Dies geschieht lagerübergreifend, auch nationenübergreifend. Wer die Romantik als deutsches Verhängnis bezeichnet, lässt ihre weltweite geistesgeschichtliche Wirkung außer Acht – everybody knows the meaning of weltschmerz.
Der Nationalsozialismus hatte ein irrationales Element, ein nahezu wahnhaftes, welches sich gerne als romantisches Extrem gab. Dennoch ist nicht nur von Safranski darauf hingewiesen worden, dass er grundsätzlich nicht bloß irrational war. Ein Regime von Verrückten wird es kaum schaffen solch eine effiziente Tötungsmaschinerie zu planen und über Jahre aufrecht zu erhalten. Manch einer geht soweit, Nationalsozialismus als logische Konsequenz der Rationalisierung anzusehen, der Industrialisierung. Das scheint so pauschal ebenso angreifbar wie ihn auf bloße politische Romantik zurückzuführen.
Trotzdem erscheint Safranskis Mahnung, romantische Zielsetzungen oder Sehnsüchte nicht mit der Politik zu vermischen gerechtfertigt. Wie schon in seinem Essay „Eine freie Variation über die Freiheit“ fordert er das Leben frei von unerfüllbaren Ansprüchen zu halten. Er fordert „eine Politik ohne Sinnstiftungsambitionen“. Angesichts der Anforderungen modernen Lebens könnten viele Sehnsüchte und Träume in letzter Konsequenz gelebt nur zur Wahl extremer Mittel führen – was zu extremen Konsequenzen führt. Vor allem die Politik gehe fehl, wenn sie sich dieser Träume bediene anstatt ihrer eigentlichen Aufgabe nachzugehen: Der ganz profanen und banalen Sicherstellung menschlicher Grundversorgung. Dem Erreichen des Guten, nicht des Schönen. Dem Konsens.
Das heiße noch lange nicht, dass Romantik aus dem menschlichen Leben zu verbannen sei - im Gegenteil, sie habe durchaus ihren Platz. Letztlich ist unsere heutige Welt aufgrund ihrer Widersprüche ohne romantische Sehnsüchte gar nicht vorstellbar. Zumindest wäre fragwürdig, ob eine vollends nüchterne Gesellschaft eine bessere wäre. Safranski jedenfalls verteidigt die Romantische Kunst. Sie macht er als angemessener Platz für das Romantisieren aus. Hier habe sie ihren Stellenwert, damit müsse sie sich aber wohl zufrieden geben.
Wie schon der Schluss des erwähnten Essays, so lässt mich auch dieses Fazit mit einigem Stirnrunzeln zurück. Dies vor allem, weil ich Safranski Recht geben muss obschon ich es nicht will. Die Geschichte der modernen Politik hat tatsächlich allzu oft gezeigt, wohin sich Politik in Selbstüberschätzung verirrt: Wenn sie Antwort auf Probleme geben will, die sie nicht lösen kann. Wenn sie Ängste und Sehnsüchte befrieden will, denen sie nichts entgegenzusetzen hat. Gleiches gilt für den Menschen, den Künstler. Ein Leben lässt sich nur schwer konsequent unversöhnlich mit der Welt führen, derartige Versuche führen zumeist ins negative Extrem: Nietzsches Wahnsinn, Kleists Mord-Selbstmord, und Rousseaus Vereinsamung sind Safranskis frühere Beispiele.
An dieser Stelle interessiert eher das profane Allgemeine: Schaut man sich die Tagespolitik an, die für sich stetig Ideologielosigkeit propagiert und dabei einem Pragmatismus“ethos“ hinterherläuft, erscheint fragwürdig inwieweit völlig visionsloses Agieren auch im politischen Kontext wirklich dem Menschen dienlich ist. Dieser Pragmatismus führt oft zu einer allzu maschinellen Betrachtung des Menschen und seiner Bedürfnisse. Dem größten Wahlkampflügner kann man keinen fehlenden Pragmatismus unterstellen, ebenso einem bestechlichen Politiker, der auf gute Wirtschaftswerte verweisen kann. Kritik an diesen Vorgängen wäre aber auch gänzlich profan durchaus sinnvoll, trotzdem schwierig. Letztlich bleibt die Moral im Pragmatismus fragwürdig, sie ist vom Ergebnis aus zu betrachten und damit von den Profiteuren. Sind diese mächtiger als die Benachteiligten, ist ein Beschluss pragmatisch gesehen gerechtfertigt.
Die Lösung, denke ich, liegt nahe, auch für Safranski. Schiller hat auf die Funktion des Ideals als Korrektiv des Realen hingewiesen. Auch hat er das spielerische „als ob“ hervorgehoben, mit welchem man sein moralisches und ideales Weltbild gegen eine immerwährend krude Realität behaupten kann ohne an ihr zu zerbrechen oder ins Extrem abgleiten zu müssen.
Die Politik darf keine Utopien versprechen. Dennoch kann es nicht falsch sein, dass die Vorstellungskraft des Politikers über die bestehenden Verhältnisse hinausgeht. Dabei gilt jedoch zu beachten: Nur in Form der Ideale kann romantische Phantasie - die Vorstellung einer Welt frei von vielen immanenten Problemen und Schwierigkeiten - Eingang in die Politik finden. Solch eine Vorstellung bleibt Korrektiv, wird nicht Programm. Weder kann man auf ihre Verwirklichung bestehen, noch darauf, dass jeder sie fordert. Ideale gehen immer vom einzelnen Menschen aus, wie schon die kantschen Maximen kann sie nur eine selbsttätige Vernunft für sich herausbilden. Wie schon die kantsche Vernunft muss sich ein Ideal und der Politiker, der es lebt, dem öffentlichen Diskurs stellen. Ja, Ideale werden weder gefordert noch geglaubt, sondern gelebt. Das ist die einzige Wirkung, die das Ideal auf die Politik haben soll. Das wäre die wünschenswerteste.
Letztendlich fußt Demokratie auf dem Konsens, das hat aktuell Helmut Schmitt in seiner Weltethosrede noch einmal hervorgehoben. Dieser Konsens ist, wie er sagt, immer etwas Fehlerhaftes und Unbefriedigendes. Viele Extremisten haben dies erkannt und verachten deshalb die Demokratie, wollen die Welt wider deren Willen verbessern. Andere resignieren im egozentrischen Pragmatismus. Ich denke man muss schon schwärmerischer Idealist sein, um die Welt im Konsens mit ihren Bewohnern zu verbessern. Als ob das möglich sei!
( Kommentieren und flattrieren Sie auf gonzosophie.de)
Die Frage scheint allgemeines Interesse hervorzurufen, ist doch auch dieses Buch ein kommerzieller Erfolg und seit einigen Wochen auf der Bestsellerliste des Spiegels zu finden. Romantik ist Geistesgegenwart, so scheint’s. Liest man dieses Werk, geht einem schnell auf warum. Romantik ist notwendiger Teil unserer Kultur, ob das nun gut ist oder schlecht. Auffällig ist tatsächlich wie viele völlig unterschiedliche Menschen, Parteien usw. sich gegenseitig immer wieder den Vorwurf der sozialen, politischen oder sonstwie verorteten „Romantik“ machen, ob nun letztes Jahr („In der Jungen Union gilt Rüttgers inzwischen als unverbesserlicher Sozialromantiker“ süddeutsche.de) oder vor mehr als hundert. Trotzdem, Safranskis ausführliche, geschichtliche Betrachtung endet bei den späten 68ern, welchen er keinen zu großen Einfluss auf die nachfolgende, das heißt heutige Gesellschaft zuspricht. Vielleicht lässt er aktuellere Beispiele deshalb lieber außen vor. Was aber ist nun dieses unauflösbare Unbehagen gegenüber der modernen Gesellschaft, was ist Romantik?
Mit Novalis ist sie „nichts als qualitatives potenzieren“. Ganz pragmatisch: „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, romantisiere ich es.“ Das Gemeine, Krude, Gewöhnliche wird mit dem Sinn für Unendlichkeit aufgewertet. Wo wir sonst nur bloßes Dasein sehen, gibt die Dunkelheit der Vorstellungskraft Flügel. Dies sagt er in einer bodenständigen Zeit, die von einer Werteinflation geprägt ist. Es kommt zum Kampf gegen die Wertlosigkeit dieser Zeit in eben dieser qualitativen Aufwertung des nunmehr Gewöhnlichen. Der Schein muss heute dem Licht weichen, die Dinge sich durch eine entkleidete Sprache benennen lassen. Romantik stemmt sich dieser hereinbrechenden Verendlichung der Welt entgegen, sie tritt mit der Moderne auf als Tochter der Aufklärung. Auch wenn das Publikum heute vielerorts unbeeindruckt erscheint, der Auftritt der Vernunft ist noch nicht beendet und damit behält auch die Romantik ihre Rolle.
Wird sie dabei Vielen von Anfang an als Abwehrreaktion verdächtig, ist dies nicht grundlos. Sie führte den Großteil ihrer Vertreter, ihrer geistigen Väter in die Vereinsamung, zu einer vita contemplativa. Die Menschenwelt der Märkte, der Maschinerie und der Statuten wollte und will sich kein geheimnisvolles Ansehen geben lassen, nicht mal ein unheimliches – sie erscheint banal unmenschlich, unromantisch.
„Ich kehre in mich selbst zurück und finde eine Welt“. Romantik ist in ihrem Wesen gerade deshalb von hoffnungsloser Weltfremdheit und Vereinsamung gekennzeichnet - sie strebt in die Nacht, in das Bergwerk. Jede Bewegung geht vom Zuwider aus. Gleichzeitig prägt die Romantik eine hoffnungsvolle Weltumarmung, die Einheitssehnsucht um die Zersplitterung der Moderne zu überwinden, das verlorene Paradies wiederzuentdecken. Was als Konkretes, als Gegenüber so abstoßend und zurückweisend empfunden wird, gewinnt gerade unter dem Schleier der Ferne, Allgemeinheit und Endzeiterwartung an Wert, Schönheit. Wo man den Menschen nicht lieben kann, entdeckt man die Menschengemeinschaft. Wo dem freien Leben alles Sterbliche bedrohlich wirkt lockt Thanatos, der Tod, die Ruhe selbst. Man schwingt zwischen den Extremen. Exemplarisch hierfür tritt abermals Novalis auf. Die heftigsten Gefühle für seine, nach kurzer Ehe verstorbene Frau empfindet er am Grabe. Jahrelang besucht er es fast täglich. Eine ferne, ideale Liebe, die er diesseitig so nicht mehr finden wird. Er schwärmt für die andere Seite. Diese typische Schwärmerei treibt dabei oft radikale Blüten. Man denke an Nietzsche. Die Romantik liebäugelt mit den Extremen, mit heutigem Vokabular könnte man vielen Romantikern Extremismus unterstellen.
Im Feindesland der Realität, gerade in der„Zersplitterung der Moderne“ entwickelt sich aus ihrer Sehnsucht nach Versöhnung und Gemeinschaft jener Zwiespalt, welcher nicht nur für die geistesgeschichtliche Romantik prägend bleibt. Vor allem die negative Rezeption entspringt der Vernachlässigung dieser Bipolarität. Wie Safranski ganz richtig anklingen lässt, war die Romantik gerade den politischen Extremisten viel zu versöhnlich, gleichzeitig zu lethargisch und schleierhaft. Mit Romantikern lässt sich schlecht die Macht ergreifen. Dennoch wird sie zu vorderst in Deutschland für Phänomene verantwortlich gemacht, denen sie oft nicht viel mehr als Ausschmückung war. Vor allem eine Ideologie, die auf Fortschrittsglauben, pseudowissenschaftlichen Theoremen und der Entzweiung (Kampf) als angebliche Fundamente des Seins aufbaut, muss diese verliebt, verlassene Schwärmerei ablehnen, muss mit den Worten Goebbels eine „stählerne Romantik“ fordern.
Das sich eine solche Ideologie einen romantischen Anstrich gibt, den romantischen Habitus nicht gänzlich aufgeben mag, ist dabei verständlich. Romantische Strukturen und Argumentationsweisen, wie Safranski anschaulich macht, zeigen sich überall dort, wo die fundamentalen Probleme und Zerwürfnisse der modernen Welt als solche erkannt und als schmerzlich empfunden werden. Dies geschieht lagerübergreifend, auch nationenübergreifend. Wer die Romantik als deutsches Verhängnis bezeichnet, lässt ihre weltweite geistesgeschichtliche Wirkung außer Acht – everybody knows the meaning of weltschmerz.
Der Nationalsozialismus hatte ein irrationales Element, ein nahezu wahnhaftes, welches sich gerne als romantisches Extrem gab. Dennoch ist nicht nur von Safranski darauf hingewiesen worden, dass er grundsätzlich nicht bloß irrational war. Ein Regime von Verrückten wird es kaum schaffen solch eine effiziente Tötungsmaschinerie zu planen und über Jahre aufrecht zu erhalten. Manch einer geht soweit, Nationalsozialismus als logische Konsequenz der Rationalisierung anzusehen, der Industrialisierung. Das scheint so pauschal ebenso angreifbar wie ihn auf bloße politische Romantik zurückzuführen.
Trotzdem erscheint Safranskis Mahnung, romantische Zielsetzungen oder Sehnsüchte nicht mit der Politik zu vermischen gerechtfertigt. Wie schon in seinem Essay „Eine freie Variation über die Freiheit“ fordert er das Leben frei von unerfüllbaren Ansprüchen zu halten. Er fordert „eine Politik ohne Sinnstiftungsambitionen“. Angesichts der Anforderungen modernen Lebens könnten viele Sehnsüchte und Träume in letzter Konsequenz gelebt nur zur Wahl extremer Mittel führen – was zu extremen Konsequenzen führt. Vor allem die Politik gehe fehl, wenn sie sich dieser Träume bediene anstatt ihrer eigentlichen Aufgabe nachzugehen: Der ganz profanen und banalen Sicherstellung menschlicher Grundversorgung. Dem Erreichen des Guten, nicht des Schönen. Dem Konsens.
Das heiße noch lange nicht, dass Romantik aus dem menschlichen Leben zu verbannen sei - im Gegenteil, sie habe durchaus ihren Platz. Letztlich ist unsere heutige Welt aufgrund ihrer Widersprüche ohne romantische Sehnsüchte gar nicht vorstellbar. Zumindest wäre fragwürdig, ob eine vollends nüchterne Gesellschaft eine bessere wäre. Safranski jedenfalls verteidigt die Romantische Kunst. Sie macht er als angemessener Platz für das Romantisieren aus. Hier habe sie ihren Stellenwert, damit müsse sie sich aber wohl zufrieden geben.
Wie schon der Schluss des erwähnten Essays, so lässt mich auch dieses Fazit mit einigem Stirnrunzeln zurück. Dies vor allem, weil ich Safranski Recht geben muss obschon ich es nicht will. Die Geschichte der modernen Politik hat tatsächlich allzu oft gezeigt, wohin sich Politik in Selbstüberschätzung verirrt: Wenn sie Antwort auf Probleme geben will, die sie nicht lösen kann. Wenn sie Ängste und Sehnsüchte befrieden will, denen sie nichts entgegenzusetzen hat. Gleiches gilt für den Menschen, den Künstler. Ein Leben lässt sich nur schwer konsequent unversöhnlich mit der Welt führen, derartige Versuche führen zumeist ins negative Extrem: Nietzsches Wahnsinn, Kleists Mord-Selbstmord, und Rousseaus Vereinsamung sind Safranskis frühere Beispiele.
An dieser Stelle interessiert eher das profane Allgemeine: Schaut man sich die Tagespolitik an, die für sich stetig Ideologielosigkeit propagiert und dabei einem Pragmatismus“ethos“ hinterherläuft, erscheint fragwürdig inwieweit völlig visionsloses Agieren auch im politischen Kontext wirklich dem Menschen dienlich ist. Dieser Pragmatismus führt oft zu einer allzu maschinellen Betrachtung des Menschen und seiner Bedürfnisse. Dem größten Wahlkampflügner kann man keinen fehlenden Pragmatismus unterstellen, ebenso einem bestechlichen Politiker, der auf gute Wirtschaftswerte verweisen kann. Kritik an diesen Vorgängen wäre aber auch gänzlich profan durchaus sinnvoll, trotzdem schwierig. Letztlich bleibt die Moral im Pragmatismus fragwürdig, sie ist vom Ergebnis aus zu betrachten und damit von den Profiteuren. Sind diese mächtiger als die Benachteiligten, ist ein Beschluss pragmatisch gesehen gerechtfertigt.
Die Lösung, denke ich, liegt nahe, auch für Safranski. Schiller hat auf die Funktion des Ideals als Korrektiv des Realen hingewiesen. Auch hat er das spielerische „als ob“ hervorgehoben, mit welchem man sein moralisches und ideales Weltbild gegen eine immerwährend krude Realität behaupten kann ohne an ihr zu zerbrechen oder ins Extrem abgleiten zu müssen.
Die Politik darf keine Utopien versprechen. Dennoch kann es nicht falsch sein, dass die Vorstellungskraft des Politikers über die bestehenden Verhältnisse hinausgeht. Dabei gilt jedoch zu beachten: Nur in Form der Ideale kann romantische Phantasie - die Vorstellung einer Welt frei von vielen immanenten Problemen und Schwierigkeiten - Eingang in die Politik finden. Solch eine Vorstellung bleibt Korrektiv, wird nicht Programm. Weder kann man auf ihre Verwirklichung bestehen, noch darauf, dass jeder sie fordert. Ideale gehen immer vom einzelnen Menschen aus, wie schon die kantschen Maximen kann sie nur eine selbsttätige Vernunft für sich herausbilden. Wie schon die kantsche Vernunft muss sich ein Ideal und der Politiker, der es lebt, dem öffentlichen Diskurs stellen. Ja, Ideale werden weder gefordert noch geglaubt, sondern gelebt. Das ist die einzige Wirkung, die das Ideal auf die Politik haben soll. Das wäre die wünschenswerteste.
Letztendlich fußt Demokratie auf dem Konsens, das hat aktuell Helmut Schmitt in seiner Weltethosrede noch einmal hervorgehoben. Dieser Konsens ist, wie er sagt, immer etwas Fehlerhaftes und Unbefriedigendes. Viele Extremisten haben dies erkannt und verachten deshalb die Demokratie, wollen die Welt wider deren Willen verbessern. Andere resignieren im egozentrischen Pragmatismus. Ich denke man muss schon schwärmerischer Idealist sein, um die Welt im Konsens mit ihren Bewohnern zu verbessern. Als ob das möglich sei!
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Symptomatisch
gonzosophie | 16. Januar 08 | Topic 'aktuelles'
Sehr interessant, selbst die Tagesschau bezeichnet Zeitarbeitsfirmen als "Zulieferbetriebe" ...
gewidmet der verflossenen Jugend (gewonnenen Reife) einer Freundin (?)
gonzosophie | 16. Januar 08 | Topic 'aktuelles'
komm!
reiße, zerfetze
schlucke, verzehre
- das Leben hat nur
wer nach Fressen giert;
das Leben hat nur nur,
wer den Magen spürt –
nage, zerkaue
grabsche und packe
nun Komm!
Ich kam mit dem Leben davon. Bin dankbar – Gott vielleicht, ganz sicher den Menschen, einigen. Habe ich doch wieder erfahren, wie wichtig das Leben sein kann, ist, sieht man es flüchtig. Liegt es nicht einfach so da, morgens, ungelesener Zeitung vom Vortage gleich.
Und doch ist man wieder ganz allein, nachts, liegt im Licht und nah am Schlaf. Froh noch da zu sein, immernoch – egal was. Froh sich selbst zu haben, Sinne, Gedanken – auch ungeteilt. All dies ist besser
als Nichts. Mehr ist es in jedem Fall, so lau und grau ich auch geworden bin.
Wie lange mag dieses Gefühl anhalten? Nun schon dringt es hervor, dieses Geknötter, Ächzen, Gejammer über das schlimmste Jahr meines Lebens, das 24. Laut vieler Bekundungen der Höhepunkt der herkömmlichen Biographie. Dann gehe es bergab. Vielleicht ist auch das bei mir Seitenverkehrt.
Pandora, erste der Frauen, entließ alle Übel in diese Welt: Pestilenz, Mühsal und Not entkamen ihrer schönen Amphora. Das Schlimmste jedoch von Allem, die Hoffnung, blieb einsam am Rand des Gefäßes zurück, von Pandora verschlossen im plötzlichen Schreck. Glück gehabt. In Anbetracht dessen lässt sich’s doch leben.
reiße, zerfetze
schlucke, verzehre
- das Leben hat nur
wer nach Fressen giert;
das Leben hat nur nur,
wer den Magen spürt –
nage, zerkaue
grabsche und packe
nun Komm!
Ich kam mit dem Leben davon. Bin dankbar – Gott vielleicht, ganz sicher den Menschen, einigen. Habe ich doch wieder erfahren, wie wichtig das Leben sein kann, ist, sieht man es flüchtig. Liegt es nicht einfach so da, morgens, ungelesener Zeitung vom Vortage gleich.
Und doch ist man wieder ganz allein, nachts, liegt im Licht und nah am Schlaf. Froh noch da zu sein, immernoch – egal was. Froh sich selbst zu haben, Sinne, Gedanken – auch ungeteilt. All dies ist besser
als Nichts. Mehr ist es in jedem Fall, so lau und grau ich auch geworden bin.
Wie lange mag dieses Gefühl anhalten? Nun schon dringt es hervor, dieses Geknötter, Ächzen, Gejammer über das schlimmste Jahr meines Lebens, das 24. Laut vieler Bekundungen der Höhepunkt der herkömmlichen Biographie. Dann gehe es bergab. Vielleicht ist auch das bei mir Seitenverkehrt.
Pandora, erste der Frauen, entließ alle Übel in diese Welt: Pestilenz, Mühsal und Not entkamen ihrer schönen Amphora. Das Schlimmste jedoch von Allem, die Hoffnung, blieb einsam am Rand des Gefäßes zurück, von Pandora verschlossen im plötzlichen Schreck. Glück gehabt. In Anbetracht dessen lässt sich’s doch leben.
uninspiriert
gonzosophie | 28. November 07 | Topic 'aktuelles'
Nach Jahren der Seltsamkeit kommt einem irgendwann die erleuchtende Einsicht, dass man Freundschaft am Besten zu Menschen sucht, die einem egal sind – dass man Beziehungen nur mit Menschen führen sollte, die man verachtet und hasst.
Nach all den Jahren der Verlorenheit möchte man doch nur einen Kaffee, nur noch eine Zigarette, bevor man endlich geboren wird, endlich zu sich kommt und zu den Dingen. Nur noch eine letzte Zigarette und dann sollte alles anders werden.
Es ist einzig das Zögern, dass den freundlichen Menschen ausmacht, das Zurückschrecken vor diesem Dasein. Man will weder aufbrechen noch hier bleiben, weder loslassen noch halten. So sieht man ein, dass man weder das eine noch das andere kann. Die Wahrheit liegt im Jenseits.
Entschuldigung, aber ich weiß es nicht besser
gonzosophie | 22. November 07 | Topic 'aktuelles'
Ich gebe es zu, ich bin ein arroganter, ignoranter und überheblicher Mensch, ich halte mich selbst für etwas Besonderes und betrachte den Rest der Menschheit mit dem lächelnden Auge, mit welchem man kleinen Kindern bei ihrem Tapsen und Fehlgehen zusieht. Mittlerweile verliere ich jedoch selbst dieses Wohlwollen. Wie bin ich als anerzogener Humanist zu solcher Misanthropie degeneriert?
Die Antwort ist simpel und, wie in letzter Zeit in meinem Blog häufiger, ein lateinisches Fremdwort: Curriculum. Es ist die Praxis des universitären Referatswesen, die als Urquell aller Menschenverachtung taugt. Ein Schlüsselbegriff auch: Fremdschämen. Zuguterletzt einfach kognitive Überforderung.
Wie kann es sein, dass in einem Seminar mit jedem neuen Termin, mit jedem neuen Referenten auch ein neuer Tiefpunkt erreicht wird, was sowohl den Gehalt als auch die Präsentation eines Referates angeht? Wie kann man sich erdreisten, ein Referat nicht nur mit dem ewig wiederkehrenden Verweis einzuleiten, der Drucker oder die Festplatte sei gerade gestern Abend abgebrannt, sondern auch noch seine erste thematische Äußerung mit „… also … ähm… verdammt! Verdammt! Verdammt!... ähm … jetzt hab ich den Faden verloren“ abzuschließen.
Verstehen sie mich bitte nicht falsch, auch ich habe mal einen schlechten Tag und komme gelegentlich beim Sprechen ins Stocken. Dennoch, einfach fernab jedweden Selbstanspruches vor ein Plenum zu treten und alle 5 Minuten zu betonen, wie schwer der Text doch sei und das man ja eigentlich auch gar keine Ahnung habe, was zu betonen überflüssig wäre – das ist einfach kein universitäres Verhalten. Darüber hinaus ist es eine Zumutung. Das Plenum kann nunmal nicht einschreiten und das Referat beenden. Aus Anstand und Sitte fährt man einem Kommilitonen auch nicht vor den noch so klapprigen Karren und wiederholt für ihn, was er selbst die ganze Zeit von sich behauptet: Dass er keinerlei Zugang zum Text hat und seine ganze Präsentation eine einzige Farce bleiben wird. So kauere ich auf meinem Platz und vertreibe mir die Zeit mit der Fehlersuche oder Optischem Tuning auf dem Thesenpapier, wenn es denn überhaupt vorhanden ist. Dabei wächst in mir langsam die Gewissheit, dass mich dieser stammelnde Mensch da vorne im Grunde nur verhöhnt, beleidigt. Er weist nicht nur jede Selbstachtung mit seiner elegischen Apologie des Versagens weit von sich. Durch sein Selbstverständnis dieser Leistung unterstellt er darüber hinaus, dass es für einen Studenten ja ganz normal und kein Grund für einen Verweis sei, weder lesen, noch fehlerfrei schreiben und schon gar nicht frei sprechen zu können. Er geht davon aus damit durchzukommen, und er wird damit durchkommen.
So bleibt man fassungslos zurück und staunt darüber, wie jemand bei solch einer Leistung mit sich selbst nicht nur im Reinen, ja sogar zufrieden sein kann. Und einem graut es vor der nächsten Woche, denn hat sich das Versagen erst einmal als Habitus etabliert, richtet sich jeder danach aus. Es wird immer schlechter und schlechter und schlechter. Zuletzt ist dabei gar keine Dreistigkeit mehr im Spiel, schließlich handelt man nur so, wie es scheinbar von einem erwartet wird.
Wie wäre es einfach mal mit ein wenig Ethos? Angesichts dieser Entwicklung musste ich von meiner ursprünglichen Einschätzung, dass vor allem ein arroganter und selbstverliebter Referent unerträglich sei, abkommen. Der brabbelt wenigstens nicht eine geschlagene Stunde sinnlos vor sich hin und stiehlt mir meine Lebenszeit. Und so wurde ich selbst arrogant, es bleibt ja gar nichts anderes übrig, will man seinen Mitstudenten nicht ebenfalls solche Dreistigkeiten zumuten. Sollten sie mich also als Referenten erleben, entschuldigen sie bitte diese oder jene Anmaßung im Habitus, denken sie an die schlimmere Alternative die ich ihnen damit erspare und .... ähm … nunja, verdammt! Verdammt! Verdammt! … nun hab ich den Faden verloren.
Die Antwort ist simpel und, wie in letzter Zeit in meinem Blog häufiger, ein lateinisches Fremdwort: Curriculum. Es ist die Praxis des universitären Referatswesen, die als Urquell aller Menschenverachtung taugt. Ein Schlüsselbegriff auch: Fremdschämen. Zuguterletzt einfach kognitive Überforderung.
Wie kann es sein, dass in einem Seminar mit jedem neuen Termin, mit jedem neuen Referenten auch ein neuer Tiefpunkt erreicht wird, was sowohl den Gehalt als auch die Präsentation eines Referates angeht? Wie kann man sich erdreisten, ein Referat nicht nur mit dem ewig wiederkehrenden Verweis einzuleiten, der Drucker oder die Festplatte sei gerade gestern Abend abgebrannt, sondern auch noch seine erste thematische Äußerung mit „… also … ähm… verdammt! Verdammt! Verdammt!... ähm … jetzt hab ich den Faden verloren“ abzuschließen.
Verstehen sie mich bitte nicht falsch, auch ich habe mal einen schlechten Tag und komme gelegentlich beim Sprechen ins Stocken. Dennoch, einfach fernab jedweden Selbstanspruches vor ein Plenum zu treten und alle 5 Minuten zu betonen, wie schwer der Text doch sei und das man ja eigentlich auch gar keine Ahnung habe, was zu betonen überflüssig wäre – das ist einfach kein universitäres Verhalten. Darüber hinaus ist es eine Zumutung. Das Plenum kann nunmal nicht einschreiten und das Referat beenden. Aus Anstand und Sitte fährt man einem Kommilitonen auch nicht vor den noch so klapprigen Karren und wiederholt für ihn, was er selbst die ganze Zeit von sich behauptet: Dass er keinerlei Zugang zum Text hat und seine ganze Präsentation eine einzige Farce bleiben wird. So kauere ich auf meinem Platz und vertreibe mir die Zeit mit der Fehlersuche oder Optischem Tuning auf dem Thesenpapier, wenn es denn überhaupt vorhanden ist. Dabei wächst in mir langsam die Gewissheit, dass mich dieser stammelnde Mensch da vorne im Grunde nur verhöhnt, beleidigt. Er weist nicht nur jede Selbstachtung mit seiner elegischen Apologie des Versagens weit von sich. Durch sein Selbstverständnis dieser Leistung unterstellt er darüber hinaus, dass es für einen Studenten ja ganz normal und kein Grund für einen Verweis sei, weder lesen, noch fehlerfrei schreiben und schon gar nicht frei sprechen zu können. Er geht davon aus damit durchzukommen, und er wird damit durchkommen.
So bleibt man fassungslos zurück und staunt darüber, wie jemand bei solch einer Leistung mit sich selbst nicht nur im Reinen, ja sogar zufrieden sein kann. Und einem graut es vor der nächsten Woche, denn hat sich das Versagen erst einmal als Habitus etabliert, richtet sich jeder danach aus. Es wird immer schlechter und schlechter und schlechter. Zuletzt ist dabei gar keine Dreistigkeit mehr im Spiel, schließlich handelt man nur so, wie es scheinbar von einem erwartet wird.
Wie wäre es einfach mal mit ein wenig Ethos? Angesichts dieser Entwicklung musste ich von meiner ursprünglichen Einschätzung, dass vor allem ein arroganter und selbstverliebter Referent unerträglich sei, abkommen. Der brabbelt wenigstens nicht eine geschlagene Stunde sinnlos vor sich hin und stiehlt mir meine Lebenszeit. Und so wurde ich selbst arrogant, es bleibt ja gar nichts anderes übrig, will man seinen Mitstudenten nicht ebenfalls solche Dreistigkeiten zumuten. Sollten sie mich also als Referenten erleben, entschuldigen sie bitte diese oder jene Anmaßung im Habitus, denken sie an die schlimmere Alternative die ich ihnen damit erspare und .... ähm … nunja, verdammt! Verdammt! Verdammt! … nun hab ich den Faden verloren.
"Afghanistan ist auch nicht ohne."
gonzosophie | 16. November 07 | Topic 'aktuelles'
Münster - Er sitzt in einem kleinen Cafe am Rand der Stadt und nippt verschmitzt an seinem koffeinierten Kakao. „Nervt sie das auch?“ fragt er mit wachen, einnehmenden Augen. Währenddessen patscht er sich noch ein Stück Kuchen auf den Teller. „Nervt sie nicht auch dieser suggestive Stil, der sich in allen journalistischen Medien breitgemacht hat?“
Friedjof Rhomben weiß nicht wovon er redet, wer weiß das schon. Dennoch umgibt ihn eine greifbare Präsenz. Man will ihm alles glauben was er sagt, auch wenn es eigentlich niemanden interessiert. Aber genau das macht es für den Journalismus so interessant. Er ist einer derjenigen Informanten, deren Interviews man so wunderbar beiläufig beschreiben kann. „Es ist ja nicht so, als würde das irgendeinen Informativen Gehalt haben, oder gar einen kontextuellen Rahmen schaffen“ witztelt Rhombus. Auf der Straße malen ein paar Kinder großformatige Bilder für Spiegel-Online. Diese dienen als Aufhänger für einen Afghanistan Artikel. Rhomben streicht sich über seinen vergilbten Bart. "Afghanistan ist auch nicht ohne", so sagt er bedeutungsschwanger. Damit hat er vielleicht Recht. Wahrscheinlich jedoch nicht. Wer weiß das schon. Sie vielleicht?
Friedjof Rhomben weiß nicht wovon er redet, wer weiß das schon. Dennoch umgibt ihn eine greifbare Präsenz. Man will ihm alles glauben was er sagt, auch wenn es eigentlich niemanden interessiert. Aber genau das macht es für den Journalismus so interessant. Er ist einer derjenigen Informanten, deren Interviews man so wunderbar beiläufig beschreiben kann. „Es ist ja nicht so, als würde das irgendeinen Informativen Gehalt haben, oder gar einen kontextuellen Rahmen schaffen“ witztelt Rhombus. Auf der Straße malen ein paar Kinder großformatige Bilder für Spiegel-Online. Diese dienen als Aufhänger für einen Afghanistan Artikel. Rhomben streicht sich über seinen vergilbten Bart. "Afghanistan ist auch nicht ohne", so sagt er bedeutungsschwanger. Damit hat er vielleicht Recht. Wahrscheinlich jedoch nicht. Wer weiß das schon. Sie vielleicht?
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