Gonzosophie
29. September 2009
Wählen wollen
gonzosophie | 29. September 09 | Topic 'Minima Memoralia'

Es kommen Zeiten, in denen der Mensch Dinge in Frage stellt, derer er sich doch Zeit seines Lebens sicher war. Diese Selbstschau ist wohl die wünschenswerteste Folge dessen, was man Krise nennt: Kritik nämlich. Es hat nun einiges gebraucht, grundlegende Kritik an Wirtschaft und Gesellschaft zurück in den redaktionellen Teil seriöser Zeitungen zu bringen. Wo jahrelang nur noch über etwaige Stil- und Verfahrensfehler diskutiert wurde, stellt man jetzt grundsätzlichere Fragen. Wollen wir so weiter machen? Können wir auch anders?
Das grundsätzliche „Nein!“ verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit, wo in kürzester Zeit über weiteste politische wie geographische Grenzen hinweg ein Finanzsystem zu retten versucht wurde, obgleich man in jüngerer Zeit jegliche Einflussmöglichkeit auf selbiges wo nicht für unerwünscht, da für unmöglich gehalten hatte. Nun also doch? Man kann es zumindest versuchen.
Man kann versuchen, den vorherigen Zustand zu erhalten, in dem man ihn den neuen Herausforderungen anpasst. Diese Vermittlung nennt man Reformpolitik. Einfach zu bewerkstelligen ist diese nicht. Noch dazu in einer Gesellschaft, deren Meinung von und Interesse für Politik derart gering ist. Wie soll man einer Bevölkerung vermitteln, dass sich Dinge ändern müssen, wenn selbst deren junge, kluge Köpfe nichts anderes mehr wollen, als einen Job? Und ihr Job sei es eben nicht, Verhältnisse zielgerichtet zu verändern. Recht haben sie damit. Das ist kein Job, es ist eine Berufung.
Aristoteles war Aristokrat. Bloßen Handwerkern sprach er die Eignung zur Politik ab, da sie ihr Tagwerk für derartige Belange zu sehr in Anspruch nähme. Sein Lehrer Platon war noch weiter gegangen. Er hatte den Berufspolitikern die Eignung zur Politik abgesprochen, denn diese würden Politik als einen Job betreiben. Sie seien Banausen, bloße Handwerker. Es bedürfe mehr, das Wohl des Staates zu befördern, als ein gewisses handwerkliches Können in Verwaltungsfragen, verquickt mit einem Sinn für Populismus.
Dass Politik im wahrsten Sinne begeistert sein kann und begeisternd, scheint heute Großteilen der Bevölkerung fremd und allein die Vorstellung dessen eher bedrohlich. Was wir von unseren Politikern erwarten ist nichts weiter, als dass sie ihren Job machen. Detailfragen sind uns dabei gemeinhin egal, sofern es nur gut ausschaut. Vor allem für uns persönlich, ganz pragmatisch gesehen. Jegliche Richtungsdiskussion ist unerwünscht. Nachhaltige, gesamtgesellschaftlich ausgerichtete Reformpolitik muss dann unbequem, deshalb unpolpulär sein. Doch wird Gesellschaft so dauerhaft funktionieren? Man kann niemandem Visions- und Phantasielosigkeit vorwerfen, dem man genau das abverlangt. Verstehen sie mich nicht falsch – weder fordere ich, die Politik zu reromantisieren noch deren Professionalisierung rückgängig zu machen. Dennoch glaube ich, dass Politik mehr ist, als bloßes Staatsingeneurwesen und die viel gelobte neue Nüchternheit. Und man wird Krisen wie jene dieser Tage mit einer Feuerwehrpolitik nicht bewältigen, geschweige denn verhindern können. Wo nicht Visionen, braucht es doch zumindest Vorstellungskraft, ganz pragmatisch gesehen.
Wir können doch auch anders. Wir können plötzlich darüber nachdenken, Banken globalen Regelwerken zu unterwerfen. Dabei war global schon ein Synonym geworden für die vermeintlich einzige Regel – die des Marktes. Sie schien gleichzeitig Ursprung und Ziel aller politischen Entwicklungen der Moderne zu sein. Der Motor von Entwicklung und Fortschritt und deshalb Garant der Freiheit und Demokratie. Jeder Versuch, diese Maschinerie unter Kontrolle zu bekommen, erschien als Anachronismus aus Zeiten der großen ideologischen Systeme. Nicht nur in Amerika galten Vertreter eines "starken Staates" als verdächtig sozialistisch.
Nun aber geht Manchem wieder auf, dass auch die Regeln des Marktes ein Regelwerk sind. Milliardenfach geschaffen, jeden Tag, von Menschen, die nichts weiter tun, als ihren Job - ob mit Keyboard, Sichel oder bloßen Händen. Wie der Gesellschaftsvertrag eine Idee, ist die Marktwirtschaft ein Konstrukt und nicht ohne Baumeister. Politik, Wirtschaftsunternehmen und jeder einzelne Mensch, der an diesem Prozess beteiligt ist, drückt ihm seinen Stempel auf. Auch du hast Einflussmöglichkeit. Wer reproduziert, der kann auch auch variieren, nachhaltig.
Man kann schon. Die Frage ist nur, wie lange die neuerliche Nachdenklichkeit in grundsätzlichen Fragen vorhalten mag. Kaum glaubt man die Talsole der Wirtschaftskrise erreicht zu haben, kehrt man wieder ab von der Umkehr. Der eigene Job scheint nicht mehr in akuter Gefahr und damit schwindet jede Motivation, sich für Veränderung einzusetzen. Selbst der Wahlkampf beschränkt sich auf den Streit darüber, ob man denn überhaupt streitet. Warum sollte man auch - ist man sich ja im Prinzip einig, was sich ändern soll: Wenig, damit alles wird, wie es war. Und so fordert auch jeder öffentliche Protest bei Studenten wie Metallarbeitern, die Rückkehr des Vorherigen. Reformieren soll man das Andere, damit das Eigene bleibt. So versucht jeder seinen Einfluss zu nutzen, seinen Einflussbereich vor Veränderung zu schützen. Dem passt sich populäre Politik an, ein schlechter Nährboden für fruchtbare Debatten. Wo ließen sich auch Dinge anstoßen, wenn das allgemeine Heilsversprechen lautet: Stillstand.
Vielleicht ist dies aber auch ein gutes Zeichen. Denn es gibt Zeiten, in denen der Mensch kaum in Frage stellt, was er Zeit seines Lebens für sicher glaubte. Wie Kritik das Produkt der Krise ist, entspringt dieses Einverständnis mit dem Gegebenen möglicherweise der Stabilität des Wohlstandes. Entweder also ist die Krise nicht so schlimm, wie gedacht, oder es wird bloß nicht darüber nachgedacht. Vielleicht ist es ein wenig von Beidem. Wo man glaubt seinen Zenit erreicht zu haben, kann alles neue nur Angst machen.
Um nun reflektiert zu handeln, müsste man sich schon berufen fühlen, über den eigenen Tellerrand zu blicken. Nicht allein Politik müsste abrücken von einer öffentlichen Debatte, in der Änderung immer nur mit Verlustängsten und Verteilungskämpfen gleichgesetzt wird. Und diese Diskussion kann man nicht bloß Berufspolitikern überlassen. Man sollte endlich die Chance ergreifen, die eigenen Gestalungsmöglichkeiten für wahr zu nehmen. Frage man nicht immer nur, was man hätte tun können. Fragen wir endlich, was wir tun wollen. Handeln wir danach.

Vorliegender Essay war Beitrag zum Wettbewerb der "Zeit", schied jedoch bereits in der Vorrunde aus - was mich jedoch nicht davon abhält, ihnen dennoch damit unter die Augen zu treten, werte Lesende. Dafür bitte ich vielmals um Entschuldigung.

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1. April 2009
Frauen
gonzosophie | 01. April 09 | Topic 'Minima Memoralia'
„Eine Frau zündet deine erste Kippe an und später sitzt du da, allein, und rauchst.“ (F.Robben)

Was man Frauen letztlich zugute halten muss: Dass sie interessant sind. Die Frage bleibt jedoch, wie viel davon aufgrund ihrer zwangsläufigen Konfliktes mit den überkommenen Rollenbildern entsteht und wie viel Voreingenommenheit unsereiner ihnen bloß aufgrund hormonell bedingter Zuneigung entgegenbringt. Vielleicht sind sie, objektiv betrachtet, in Gänze uninteressant. Dank der überkommenen Geschlechterklischees kann man ihnen das wiederum kaum krumm nehmen.

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3. Februar 2009
Denkskizze des Tages
gonzosophie | 03. Februar 09 | Topic 'Minima Memoralia'
"Übrigens ist mir alles verhasst, was mich bloß belehrt, ohne meine Tätigkeit zu vermehren oder unmittlebar zu beleben" (Goethe)
"Unsere moderne Bildung ist eben deshalb nichts Lebendiges [...], das heißt: Sie ist ga keine wirkliche Bildung, sondern nur eine Art Wissen um die Bildung, es bleibt in ihr bei dem Bildungs-Gedanken, bei dem Bildungs-Gefühl, es wird kein Entschluss daraus [...] und so ist die ganze moderne Bildung wesentlich innerlich: auswendig hat der Buchbinder so etwas daraufgedruckt wie >Handbuch innerlicher Bildung für äußerliche Barbaren< . Ja dieser Gegensatz von innen und außen macht das Äußerliche noch barbarischer, als es sein müsste." (Nietzsche)

Der moderne Mensch also zeichnet sich durch das aus, was wir heute wohl "gefühlte" Bildung nennen würden. Während man sich mollig warm wähnt, zeigt das Thermometer eisige Minusgrade an. Eine erschreckend aktuelle Einschätzung, vor allem in Zeiten der 3-Jahres-Plan-Studiengänge, die letztlich gar keinen anderen Zweck mehr haben, als Distinktionsmerkmal zu sein. Reich studiert, fühlt sich deshalb gebildet, das muss reichen. Es kommt dabei eben nicht mehr auf die lebendige, belebende Bildung an, sondern graduiert will man sein. Unterpunkte sammeln für den Lebenslauf (Sich vom Pöbel abzusetzen schafft man freilich nur durch eine berufliche Stellung im gehobenen Sektor, für die "kulturelles Kapital" allenfalls notwenig, niemals hinreichend sein kann). Dass Bildung kaum etwas mit Fähigkeit oder Wissen zu tun hat, sondern gerade in Deutschland hinreichende, sogar notwendige Bedingung in einem reichen Elternhaus hat, spiegelt sich dabei in einem seltsamen Selbstgefühl der sich Bildenden wieder. Nicht nur durch die ständige Bombardierung mit dem Begriff "Elite" bestärkt sich eine gefühlte Bildungselite. In pychologischen Studien ist ja die suggestive, formative Kraft von gesellschaftlichen Klischees belegt worden. Wer für dumm gehalten wird, verhält sich dumm. Anders herum klappt das ebenso. Nur was heißt das denn nun, dumm, schlau? Heute in erster Linie: Gebildet oder ungebildet. Was heißt wiederum das? Graduiert oder nicht, grob gesagt. Bildung ist also ein Statussymbol, belegt durch eine staatlich beglaubigte Urkunde. Man hat seine Bildung irgendwann mal gemacht, Gott sei dank, und in Zukunft befähigt einen dies neben einem Berufsfeld zum kultivierten Gespräch über das Theater oder die Überversorgung im Sozialstaat. "Weiterbildung", ein seltsames Wort, das seinen Sinn nur durch das in diesem Sektor noch seltsamere Wort "Ausbildung" bekommen haben kann, gehört dabei ebenfalls nur in den Bereich der beruflichen Qualifikationen, gegebenenfalls noch in den Lebensabend einiger Enthusiasten - wie lebendige Bildung allgemein.

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25. November 2008
Leitfaden zu Freiheit oder Glück
gonzosophie | 25. November 08 | Topic 'Minima Memoralia'
Gewohnheiten, Rituale sind es, die uns über den Tag bringen, durch unser Leben. Sie entheben uns jeder Reflektion - wir tun einfach, was wir schon immer getan haben. Stehen morgens auf, betreten das Bad auf die gleiche Weise, setzen uns an den gleichen Frühstückstisch und essen mit wiederkehrenden Handgriffen. Die Regelmäßigkeit dieser Handlungen ist für uns wesentlich wichtiger als deren Sinnzweck. Was wir essen, spielt keine Rolle. Dass wir essen ist notwendig, auch ohne jeden Appetit. Durch diesen Mechanismus enthebt sich das Leben, ist es erst zum Alltäglichen geworden, letztlich selbst der Frage nach dem außer ihm liegenden Sinn. Es wäre auch ungewohnt, weiter danach zu fragen.
Wie dem auch sei, Ich habe es geschafft. Die Gewohnheit zu Rauchen lässt sich durch das Kauen von Kaugummi ersetzen, Schweizer Kräuterzucker wird zum Substitut für synthetische Drogen. Ich finde Kompensationshandlungen für jedes menschliche Bedürfnis. Kein Akt mehr, der an oder für sich wichtig wäre. Das vorletzte Stadium sucht seine Befriedigung allein darin, dass man irgendetwas tut. Libertas indifferentia, die nächstmögliche Stufe zur absoluten Freiheit. Diese ist freilich nicht erreichbar, solange man noch auf objektivierende Handlungen angewiesen ist. Solange man sich noch verwirklichen muss. Dennoch weißt der Weg bereits in die richtige Richtung. Größte Indifferenz erreicht man nur durch letzte Entäußerung. Der Weg gabelt sich, einerseits Veräußerung, andererseits Vernichtung. Beides taugt zur Gewohnheit.

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23. Oktober 2008
Die Herrschaft der Besten
gonzosophie | 23. Oktober 08 | Topic 'Minima Memoralia'
Wir leben in der besten aller möglichen Welten ganz einfach deshalb, weil eine bessere, gute Welt unmöglich ist. Dies macht einem auch die Bezeichnung akuter und potentieller sozialer Funktionsträger als „Elite“ verständlich – Elite heißt nicht gut oder gar besser, es bezeichnet eine Gruppe lediglich als das, was faktisch obenauf ist. Als Elitenförderung gilt dementsprechend dafür zu sorgen, dass diejenigen, die obenauf sind, nicht untergehen. Wie gut es um diese Elitenförderung hierzulande bestellt ist, bestätigen OECD-Armutsbericht und Pisa-Studie, denen zufolge Deutschland die Gesellschaft mit dem am schnellsten wachsenden Arm/Reich-Gefälle beherbergt, welche die geringste soziale Durchlässigkeit besitzt, wobei nirgendwo sonst schulische und berufliche Perspektiven so stark von der sozialen Herkunft abhängen. Arm bleibt Arm und, was die OECD ebenfalls nahe legt: Reich bleibt immer reicher.
Dass die Armut verhältnismäßig so stark gewachsen ist, mag am Aufschwung liegen, den wir nunmehr zu Grabe tragen. Gefühlt einzigartig war dieser Aufschwung durch seine flächenmäßigen Reallohnsenkungen bei respektablem Wirtschafts- und Produktivitätswachstum. Das war die größtmöglich angelegte Elitenförderung. Nicht unverständlich, dass der kleine Mann fortwährend über die da oben schimpft, die sich angeblich die Taschen mit unversteuertem Geld voll machen und ihn aus Sorge um den Aktienindex vor die Tür setzen. Doch handelt Otto-Normalverbraucher etwa besser, hat er eine höhere Steuerquote? Fraglich – „Drum preise nicht als Sittsamkeit, was Mangel an Gelegenheit“ könnte man also mit Wilhelm Busch sagen. Genau das ist allerdings der Punkt: Hätten alle die Möglichkeit einander gleichsam zu betrügen, wir hätten eine gerechtere Gesellschaft. Betrug aber ist ungemein leichter, hat man vertrauenswürdige Komplizen in strategisch günstiger Position. Ein Gesellschaftsmodell in welchem dies übliches Vorgehen ist, nennt sich Vetternwirtschaft. Ein System also, in welchem die Vergabe von Posten und Privilegien nicht nach möglichst objektiven Kriterien, etwa der Leistung des Bewerbers, sondern aufgrund von Beziehungen und Seilschaften erfolgt. Zusammen mit Korruption verbindet sich Vetternwirtschaft gerne zu dem in Köln charmanterweise so genannten „Klüngel“. Dieses Wort wird nicht nur dort traditionell groß geschrieben, in den Korruptionsberichten von OECD und Transparency International belegt Deutschland nach wie vor einen stabilen Platz im Mittelfeld (Wenn sie sich mittlerweile Fragen, was die OECD doch wohl für ein linker Haufen von Wirtschaftsfeinden sei, dann empfehle ich ihnen einfach die ersten paar Zeilen des entsprechenden Wikipedia Artikels).
In Deutschland entscheiden also nicht Leistung oder Fähigkeit über die in der Gesellschaft erreichbare Position. Diesem Umstand tragen auch Eliteschulen und Eliteuniversitäten Rechnung, welche ihr Klientel selbst nicht als „Leistungselite“, sondern lieber als „Verantwortungselite“ bezeichnet sehen. Verantwortungselite, da sie in dem Bewusstsein stehen, irgendwann einmal Verantwortung zu tragen. Verantwortungsbewusstsein ist das aber leider noch lange nicht. Zu der Riege von Verantwortungsträgern zählt etwa Walther Leisler Kiep, dessen Namen ein Gebäude auf der European Business School trägt. Zwar in jüngster Zeit wegen der CDU-Spendenaffäre um Waffenhändler Schreiber „etwas in die Kritik geraten“, aber ein Mensch, „von dem man persönlich viel mitnehmen könne“, wie ein Studentensprecher der EBS in einer Reportage des WDR über ihn zu sagen weiß.
Persönlich viel mitnehmen wohl auch, da er als langjähriger Präsident dieser Schule noch immer gute Beziehungen zur ihr pflegt. Damit steht er nicht allein, die EBS wirbt ganz offen mit über 3000 „Alumni“ in hohen Positionen.

„Alumnus (Plural: Alumni; lat.: „Zögling“, von alere, „ernähren“, „aufziehen“) war ursprünglich ein männlicher Zögling eines Alumnats. In Ihrer Mehrzahl sind die Alumni diejenigen, welche von einem anderen ernährt werden“ (Wikipedia.de)

Dieser Begriff hat mittlerweile einen Bedeutungswandel mitgemacht. Alumni sind heute die Ehemaligen einer Schule oder Verbindung, welche die Zöglinge dieser Schule ernähren - sei es durch Geldzuwendungen an die Institution selbst oder Stellenangebote für jene Zöglinge. „Netzwerken“ lautet der neudeutsche Euphemismus für diese Art der seilschaftlichen Vetternwirtschaft. Durch solcherlei Exklusivität kann die EBS ihren Absolventen eine Stelle in Unternehmensberatungen oder Investmentbanken, worin die meisten von ihnen unterkommen, quasi garantieren. Garantieren vor allem auch, da sich durch die Studiengebühren von rund 11.500 Euro im Jahr die Zahl der potentiellen Bewerber durchaus in Grenzen hält. Dennoch haben diesen oder ähnliche Wege nahezu alle Funktionsträger in derartigen Unternehmen durchlaufen. Somit hat man eine recht plausible Erklärung für die soziale Undurchlässigkeit unserer Gesellschaft.
Da dieses starre Sozialgefüge an der EBS so vorbildhaft ist, versucht man mittlerweile natürlich auch an anderen Universitäten elitär zu werden (mit allem was man für gewöhnlich mit dem Wort „elitär“ verbindet). Das Stichwort hier: „Exzellenzinitiative“. Es bedeutet etwas abstrahiert, dass Fördergelder durch wenige, erfolgreiche Absolventen von Hochschulen an wenige, erfolgreiche Professoren an Hochschulen verteilt werden, die dadurch abermals wenige, in ihren Augen erfolgreiche Studenten fördern, ihr Studium erfolgreich zu absolvieren. Ein Schelm wer Intransparentes dabei denkt. Nur konsequent ist es dagegen, die Fördergelder auch durch Studiengebühren zu refinanzieren, die zum größten Teile nur Abiturienten aus weniger gut situiertem Elternhaus vom Studium abschrecken. Frau Schavan ficht das nicht an, schließlich würden 90% der jetzt Studierenden angeben, Studiengebühren seien für sie nicht der entscheidende Grund gewesen, kein Studium aufzunehmen. Lesen sie das ruhig noch mal durch, es ist kein Argument für Logiker.
Was traut man sich da abschließend überhaupt noch zu fragen? Die Antwort auf das cui bono liegt auf der Hand. Erwiesenermaßen sichert eine nahezu unmögliche „soziale Mobilität“, wie man sozialen Auf- und Abstieg zusammenfassend nennt, die Stellung derjenigen, die sowieso schon oben sind. Entscheidungsträger, die nachhaltige Verantwortung für ihre Kinder tragen, werden deshalb kaum zur Änderung des status quo beitragen wollen. Bundespräsident Horst Köhler wies auf dem 47. Historikertag noch auf die Notwendigkeit einer gewissen Ungleichheit hin
und warnte vor den ewig gestrigen Gleichmachern. Dem Verdacht der Gleichmacherei muss sich die momentane Bundesregierung so wie die gesamte „Verantwortungselite“ unseres Landes in keinem Fall ausgesetzt sehen. Gleich bleibt höchstens die Zahl der Alumni.

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23. Juli 2008
Wieviel Sorten Joghurt braucht der Mensch?
gonzosophie | 23. Juli 08 | Topic 'Minima Memoralia'
Zu dieser schneidigen Frage hat der Cabman eine interessante Stellungname abgegeben. Meinen Kommentar dazu kann ich aus purem Geltungsdrang deshalb auch ihnen nicht vorenthalten:

Wenn uns der Fordismus Eines gelehrt hat, dann das der unregulierte Markt eine tendenziell unendliche Nachfrage entwickeln muss, um den industriellen Motor am Laufen zu halten. Wie wir ja alle wissen braucht die Wirtschaft ein Wachstum von gut 2 % um nicht zusammenzubrechen. Stagnation ist Rückschritt - seltsamerweise. In dieses Bild passen auch die von Cabman beschriebenen Phänomene gut herein, gerade das Joghurtregal ist da mein liebstes Anschauungsobjekt.
Ein Beispiel: Wie wird fettarme Milch hergestellt? Ich dachte früher: "Das ist doch ganz einfach. Milch besteht zu etwa 90 Prozent aus Wasser, dann kommen noch 3,5% Fett dazu. Wir wollen Milch mit 1,5% statt 3,5% Fett. Was machen wir also? Genau, einfach verdünnen." Denkste! Das wasserunlösliche Milchfett wird maschinell von der Milch getrennt, die Wässrige Lösung, die zurück bleibt, dann mit demselben Fett wieder auf den gewünschten Fettgehalt angereichert (z.b. 1,5 %) und unter Hochdruck homogenisiert, damit es wieder wie normale Milch aussieht.
Im Gegensatz zu den meisten Lightprodukten ist fettarme Milch dabei billiger als das Ursprungsprodukt, weil wir es hier eigentlich nur mit dem recycelten Abfall der Produktion eines neuen Rohstoffs zu tun haben: Rahm (Milchfett). Andere Light Produkte wie Camembert müssen künstlich mit Schweineschwartenmehl (Gelatine), Guarkernmehl oder ähnlichen Emulgatoren gestreckt werden, um zumindest dem ursprünglichen "Biss" nahe zu kommen. Sie werden dadurch in der Herstellung teurer.
Blicken wir nun noch einmal auf die Molkereiproduktpalette. Standen wir im Laufe diesen Jahres vor einem Supermarktregal, so mussten zwischen den früher als neue, zeitgemäße Alternative angepriesenen Light-Produkten nach dem unbehandelten Vollfettjoghurt schon angestrengten Auges suchen. Hier werden mittlerweile nicht mehr 10 Sorten von 10 Herstellern angeboten sondern vielleicht noch zwei oder drei. Die meisten Hersteller haben an Vollfettjoghurt nur noch den so genannten Naturjoghurt im Programm - wenn überhaupt.
Wie kann das sein? Diktiert nun das Angebot die Nachfrage oder warum sind wir plötzlich allesamt bereit 20 % mehr für ein Produkt mit weniger Nährwert auszugeben? Liegt es etwa daran, dass gesichert bewiesen worden wäre, dass ein fettarmer Joghurt gesünder ist als ein Vollfettjoghurt? Es braucht nicht viel Recherche um diese weitläufige Meinung zu entkräften. Doch wieso ist sie eigentlich so weitläufig?
Schalten sie mal den Fernseher ein. Es wird nicht lang dauern, bis sie auf einen Werbeblock stoßen. Dort werden sie zwar hören, dass laut einer Umfrage der Zeitschrift "Men's Health" 90% der Leser mittlerweile überzeugt sind sich am ganzen Körper enthaaren zu müssen, um attraktiv auf Frauen zu wirken, JBK wird ihnen aber nicht mehr lang und breit erklären müssen, dass unter einer "bewussten und zeitgemäßen Ernährung" vor allem eine fettarme zu verstehen ist. Das ist Usus. Das wissen wir schon seit Jahren. Fragen sie sich mal woher wir das eigentlich wissen (wie gesagt, es braucht keine lange Recherche, dieses "Wissen" in der platonischen Einteilung zur Meinung zu degradieren).
Naja, nun wissen wir es jedenfalls und bezahlen für unseren Joghurt 20% mehr, ohne dass er noch groß beworben werden müsste. Also ist die Anfangsinvestition wieder drin, das Geld für Werbung, für neue Anlagen. Schönes Konjunkturprogramm. Es gibt sogar große Synergieeffekte, da ja fast nichts mehr als fettarmer Joghurt hergestellt wird. Wir zahlen also gar nicht die 20% mehr für diesen Joghurt. Na wunderbar, alle haben von diesem Prozess ungeheuer profitiert. Die Kunden zahlen nur noch etwa 10% mehr für einen Joghurt mit bis zu 95% weniger Nährwert und bleiben dadurch rank und schlank. Aber...
Ja, es ist doch meist so wie Cabman schon schrieb. Man isst sich halt langsam satt am ewig gleichen und der Markt braucht neue Angebote um die Nachfrage und damit die Wertschöpfungsmöglichkeiten zu erhöhen. Irgendwann lassen sich leider keine fettärmeren Joghurte mehr produzieren als mit 0,001%, denn verdicktes Wasser allein macht noch kein Molkereiprodukt und auch die Imagination hat irgendwo ihre Grenzen. Was macht der Marketingexperte also, wenn keiner eine neue Idee hat, von der er abkupfern könnte? Richtig, er wärmt eine alte Idee auf. Was ist an Vollfettjoghurt eigentlich so schlecht? Immerhin hat auch der „das beste aus einem Liter Milch“ in sich. Auch ist er viel weniger behandelt, nahezu „natürlich“, wenn auch homogenisiert und pasteurisiert, doch immerhin fast biologisch aktiv. Ja, man könnte fast sagen gesund mit wertvollem Milcheiweiß, Mineralien und so weiter. Außerdem, war damals nicht sowieso alles viel besser, als die Leute noch ihre dicken Kannen fetter Milch direkt vom Bauern holten? Also warum bewerben wir nicht mal eine Milch eher für den romantischen Naturmenschen? Da braucht es nur einen kernigen Titel: „Landsehnsucht-Joghurt“ oder „ Bauernliebe-Vollmilch“. Und da wir hier schließlich ein Premium Produkt bewerben mit hohem Nährwert, das unbehandelt, sozusagen reiner und weniger industrialisiert ist, machen wir es einfach etwas teurer als die Light Produkte - das klingt auch gleich plausibel.
Nun haben wir also nährwertärmeren Joghurt, der 10 % teurer ist und Vollnährwertjoghurt, der 20 % mehr kostet ... als was eigentlich? Ach ja, als früher. Das nennt man dann Inflation. Sehr unschön, wenn die plötzlich über 3% steigt. Zumal, wenn man über die Hälfte seines Einkommens direkt für Lebensmittel (Produkte) ausgeben muss und nicht etwa für Dienstleistungen (Makler, Berater, Putzfrau).
Was hat das alles mit dem oben angesprochenen Thema zu tun? Man sollte sich vielleicht fragen warum die Explosion der Werbemittel mit dem Zusammenbruch kleinerer Betriebe für Alltagsprodukte korreliert - und danach noch einmal, warum wir 20 Sorten Erdbeerjoghurt von etwa 4 Konzernen brauchen. Weil man es uns ganz einfach sehr plausibel machen kann, dass wir sie brauchen. Das heißt noch lange nicht, dass ich nicht auch mal gerne einen neuen 4-Korn Joghurt probiere, im Gegenteil. Aber möchte ich 20% mehr für diesen Joghurt bezahlen nur um das Gefühl zu haben, dass ich ihn unbedingt brauche? Naja, eine eher philosophische Frage. Sie geht auch an der wandelbaren Realität vorbei.
Wir brauchen eine tendenziell unendliche Nachfrage und wir brauchen die unglaublich großen Mengen an Ressourcen, die dabei vernichtet werden ganz einfach deshalb, weil die Weltwirtschaft in unseren Breiten nicht von dem Preis der Arbeit sondern der Konsumkapazität abhängt. Wer glauben sie soll denn die Produkte aus Kinderhand kaufen, wenn der Deutsche keine 9 Euro die Stunde mehr verdient? Die reichen Inder? So viele sind das auch noch nicht.
Kapitalismus ist expansiv, er muss immer größer werden, immer mehr produzieren, immer mehr absetzen, immer mehr verbrauchen. Da braucht man kein Wirtschaftsexperte sein, es ist ein Schneeballeffekt. Kapitalismus widerspricht hier dem von Cabman zitierten Gossenschen Gesetz, er kann sich nicht satt fressen. Und darauf basiert auch unser Leben, denn sind wir ehrlich dann streben wir doch alle danach die von uns verbrauchbaren Ressourcenpotentiale zu steigern. Haben wir erst ein Auto, werden wir nicht mehr darauf verzichten wollen. Haben wir erst einen Computer, kommen wir nicht mehr ohne aus. Was Optionen angeht, wird der Mensch nicht satt. Man kann die Möglichkeit zu Hungern als Wellnessfasten verkaufen, aber nicht den Lebensmittelmangel. Mit noch so guter Werbung wird man dem Menschen nicht plausibel machen können, warum er sein Auto ganz aufgeben soll. Deshalb erscheint mir die Klimakrise, wenn sie denn wirklich so auswirkungsreich sein sollte, wie momentan produziert, als besonders fatal.
Was für grundsätzliche Gedanken man doch angesichts einer Käsetheke hervorbringen kann. Und diesem Orte angemessen schlage ich auch eine Lösung vor, zumindest das von mit verbrauchbare Ressourcenpotential nachhaltig zu steigern: Gonzosophenherrschaft.

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7. Juli 2008
Aphorismus IV
gonzosophie | 07. Juli 08 | Topic 'Minima Memoralia'
Vielleicht ist die Furcht allein zu sein schon das Alleinsein selbst.

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22. Juni 2008
Aphorismus III
gonzosophie | 22. Juni 08 | Topic 'Minima Memoralia'
In der Politik bedarf es keiner besonderen Fähigkeiten, Kenntnisse oder Intelligenz - eher einem gesunden Mix aus Geltungssucht, Kontakten und Charakterschwächen. An der Universität wird Politik gelehrt.

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10. Juni 2008
Punk is Dying (I)
gonzosophie | 10. Juni 08 | Topic 'Minima Memoralia'


Mexiko: Jagd auf Emos fordert Verletzte
Im mexikanischen Querétaro haben sich Heavy Metal-, Skate Punk- und Rock-Fans zusammengeschlossen, um Jagd auf Emos zu machen. Das Ergebnis sind vier Verletzte und 28 Verhaftete.
(laut.de, 13.03.2008)

Wieso provoziert eine Jugendkultur, die sich laut Wikipedia „durch das stärkere Betonen von Gefühlen wie Verzweiflung und Trauer sowie durch die Beschäftigung mit persönlichen Themen wie Liebe und Freundschaft auszeichnet,“ also selbst gar nicht provokativ ist? Weil sie sich gerade damit von fast allen vorherigen Jugendkulturen unterscheidet. „Emo“ ist im Grunde nur der nächste Schritt innerhalb der modernen Jugendkultur. Sie übernimmt je nach individuellem Geschmack prägende Elemente aus Punk/Elektro/Grufti/Grunge/Hippie-Tradition und verbindet diese mit aktueller Poppmusik und Produkten, welche zur eigenen Gruppenidentifikation herangezogen werden. „Emo“ selbst greift damit dem voraus, was seinen Vorgängern noch als von Außen übergestülpt erschien. Während jene Subkulturen meist als utopischer Gegenentwurf zur westlich-kapitalistischen Leitkultur konzipiert waren und dann allmählich durch den Markt angenommen, angepasst – vermarktet – wurden, zeichnet sich „Emo“ durch die Utopie direkt innerhalb des Marktes aus. Zuerst kam die Vermarktung, dann die Massenbewegung. Dementsprechend gilt „Emo“ auch mehr als Kleidungsstil, denn als Musikrichtung.
Bezeichnenderweise ist diese marktinterne Utopie, die keine Rebellion sein will, nicht weniger pessimistisch und desillusioniert als die ihr vorangehenden Jugendkulturen. Im Gegenteil, Verzweiflung und Trauer bilden den Kernbereich der betonten Emotionen und da sie als unüberwindbarer Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens begriffen werden, erhalten sie kurzerhand eine positive Aufwertung als konstitutives Element der „Szene“. Auch hier zeigt es sich wieder: Während andere utopische Jugendrebellionen im Regelfall erst nach der zweiten Generation durch ihre Integration in den kapitalistischen Prozess zur Stabilität desselben beitrugen, ist „Emo“ von Anfang an ein Erklärungs- und Legitimierungsmodell für negative Strukturen und Gefühle, die von jenem zwangsläufig produziert werden. Diese Jugendkultur versucht keine als schlecht empfunden Strukturen zu ändern, sondern einfach mit dem Leid zu leben, das jene verursachen. Im Unterschied zum aus der Punkbewegung hervorgegangenen Grufti der 80er Jahre, den Konsumverzicht und Selbstzerstörung prägten, geht "Emo" dabei viel euphorischer mit den Möglichkeiten des Marktes um. Man lebt seinen Pessimismus voll aus - mit Klamotten und Events. Das Diktum der Angepassten.

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6. Juni 2008
Abwärme
gonzosophie | 06. Juni 08 | Topic 'Minima Memoralia'


Zu Schlaflosigkeit habe ich schon viel geschrieben und die Gedanken ähneln sich jedes Mal, zumindest formell. Bezeichnend ist die Nähe zum Tod, die das Einschlafen ausmacht. Es ist kaum verwunderlich wie alt die Metaphern vom ewigen Schlaf, Schlaf eines Toten etc. sind und welche Verbreitung sie gefunden haben. Wie der Schlaf erscheint uns der Tod als das ganz Andere und doch sind sie beide alltäglich, nahezu banal. Nur vergessen wir allzu oft, dass wir sterben müssen, da um uns alles so lebendig ist. Denn was nicht wach ist, das umgibt uns nicht, verbirgt sich oder wird versteckt. Die Nähe zum Schlaf erinnert uns wieder an die Nähe des Anderen. Sofern man niemanden hat, der einen ablenkt, einen ruhig schlafen lässt. Doch Schlaf und Tod bedeuten die absolute Privation, die Entbindung von allem außer uns selbst. Die letzte Ruhestätte, sie kennt nur Einzelbetten. Und auch der Schlaf ist ganz allein. Vielleicht fehlt einem, vielleicht sucht man deshalb vor allem hier das zu zweit, spricht vom miteinander Schlafen als Intimsten, was man teilen kann. Vielleicht auch deshalb, weil man sich in diesem Moment der Auflösung entblößt.
Es bleibt, um nun zu schließen, im Grunde mir nur eine Hoffnung: Dass jener Schlaf wie dieser auch durch jagende Gedanken und die bloße Angst, kurzum durch fehlende Bereitschaft so lang noch auf sich warten lässt, bis man ihn wirklich will, den Schlaf. Ich fürchte das bleibt Hirngespinst.

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