Gonzosophie
16. August 2007
Maximenwechel
gonzosophie | 16. August 07 | Topic 'Selbstbehauptung'
Ich war schon immer ein Freund von Tragikkomödien. Doch in letzter Zeit mag ich mir keine Filme mehr ansehen. In jedem Film geht es um Beziehungen, um Assoziationen, die ich vermeiden muss. Mein Leben gleicht momentan eher einem postmodernen Experimentalfilm ohne erkennbare Elemente. Ich hätte gerne etwas mehr Ska in meinem Leben und würde lieber etwas weniger Bushido um mich herum sehen. Vielleicht muss man da Schillers Maxime folgen, dass man nicht schöne Dinge fordern darf, sondern nur fordern soll, dass die Dinge um einen möglichst schön sein sollten. Wer die Existenz schöner Dinge fordert, ist seiner Meinung nach zwar eine schöne Seele, aber zum Scheitern verurteilt. Ich kann mir momentan dazu kein anderes Mittel denken als Reduktion. In der Einfachheit liegt oft Schönheit, in der Begrenzung der Bedürfnisse Glück. Man muss den Sucher wieder auf andere Dinge lenken als auf unerreichbare, unmögliche Wunschträume. Muss seine Realität den Möglichkeiten anpassen. Das, was ich eigentlich nicht mehr tun wollte, was mir höchst zuwider war. Aber ich bin zu nichts anderem fähig, das habe ich nun mehrfach erfahren müssen. Schuster, bleib bei deinen Leisten. Mein Part liegt darin die Dinge zu betrachten, zu überdenken, nicht sie zu tun. Für Gefühle, für Ideale zu schwärmen, nicht sie zu leben. Daran ginge ich zugrunde. Ich bin ein Zuschauer, kein Akteur. Bin die Leinwand, nicht das Licht. Es bleibt mir nur, der Chronist von Schönheit zu sein, die ich niemals teilen werde.
...
„Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten ist herrlich;
Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.“

Friedrich Schiller, Nänie

Permalink





Gelassenheit
gonzosophie | 16. August 07 | Topic 'in aller Kuerze'
Eingesperrt in grauen Mauern
Eingezwängt in tristen Räumen
ohne jegliches aufbäumen
ohne jegliches bedauern

liegt er still, verblutend da
totgeschwiegen, umgebracht
er, der niemals mehr erwacht
er, der niemals lebend war

Permalink





15. August 2007
Nachtschicht
gonzosophie | 15. August 07 | Topic 'Nachtschicht'
Die Maschine atmet in regelmäßigen Zügen. Ich bin ihr Puls, bediene sie. Irgendwo knarzt ein Radio. „Weiß jemand, welches Wetter eigentlich draußen ist?“ Wir sind nicht autark, jedenfalls nicht völlig. Nur für 8 Stunden am Tag. Wenn wir bedienen, pulsieren. Was hast du nur damit gemeint, was ist das eigentlich für ein Satz gewesen? Hast du dabei an mich gedacht? Wohl kaum. Die Charge ist zu Ende, doch die Palette noch lange nicht voll. Ich schreibe meine Nummer auf ein Kontrollkärtchen: 3490. Das bin ich, niemand anders. Wie damals bei den Panzerknackern. Der Hubwagen rollt durch den Gang, serviert immer neue Kabel, neue Züge, neues Plastikgranulat, hebt weg, was geschafft wurde. Ein Kollege bekommt seine Ablöse, macht Pause. „Moin“ – „Morgeeeen“. Man lernt zwei Gangarten zu verwenden. Ein Tempo zur, ein Tempo von der Arbeit. Das Vokabular ist festgelegt, standardisierte Formeln und anzügliche Bemerkungen, parabelhaft. Die halbe Nacht ist durch. Noch immer kein Glimmen am Horizont. Die hohen Fenster mit ihren Oberlichtern bleiben pechschwarz, versetzen uns in eine dunkle Kathedrale. Wir gehen unseren Ritualen nach, feiern eine okkulte Messe im Choral der Maschinen. Wieso hab ich dir nicht gesagt, was ich sagen wollte, was ich niemals sage, wenn es Zeit wäre. Doch die Zeit ist ein Kreis, nichts geht verloren, alles ist längst verloren. Ich spüre meine Hände. Sie passen sich dem Akkord nicht so schnell an wie mein Geist. Der Körper baut ab. Aber die Maschine vergibt, stöhnt großzügig in schleppendem Tempo. Noch einen Kaffee aus dem Automaten, oder eine Zigarette. Alles was uns hier vom Wahnsinn trennt sind Kaffee und Zichten; Und die anzüglichen Bemerkungen zum Bier im Sonnenaufgang. „That’s the Combination, man“. Wir sind eine Schicksalsgemeinschaft, klar definiert. Man kifft nicht, ist nicht schwul und vögelt gerne. Doch auch da ist man tolerant, solange die Maschine taktvoll stanzt. Was soll schon sein, es geht weiter. Ich nehme dir nichts übel, nehme niemandem nichts übel. Ich bin nachsichtig, wie die Maschine geworden. Atme regelmäßig, in schleppenden Zügen. Freitags kippe ich einen Kübel Küberclean Reiniger durch den Apparat. Dann ist alles wie neu. Nichts bleibt mehr haften. Nichts ändert meinen Puls. Ich funktioniere. Ich bringe den Akkord.

Permalink





Befreiung
gonzosophie | 15. August 07 | Topic 'in aller Kuerze'
Ich töte dich
sieh nicht her
es dauert nicht lang
ein kurzer Schmerz
ein leiser Schrei
einsamer Frieden

ich bleibe zurück
mit diesem Körper
nur eine Last
von dir genommen
mir gegeben
sie zu tragen
wegzuwerfen

Permalink





... ältere Einträge