Schon zum dritten Mal innerhalb eines Jahres in einer VIP-Lounge zu sitzen, diesmal noch dazu mit tatsächlich bekannteren Menschen, das stimmt einen schon nachdenklich. Und es widerspricht eindeutig meinem degenerativen Modell der Biographiefunktion (f(B)=0-t²). Zählbares ist jedenfalls auch diesmal nicht dabei heraus gesprungen, außer natürlich dem gratis Kugelschreiber, mit welchem ich diese Notizen hier verfasst habe und zumindest für das leibliche Wohl wurde in ausreichendem Maße gesorgt.
Wie ist sie also gelaufen, meine Podiumsdiskussion? Vom Wirkungsgrad her nicht besonders, stehen doch 14 Stunden Anreise nur etwa 5 Minuten Redezeit und vielleicht 4 Fragen gegenüber. Diese waren auch noch derart trivial, dass es meiner Person sicher nicht bedurft hätte, sie zu beantworten („Wie wäre das für Sie als Autor, wenn jemand von Ihnen abschriebe?“). Der Moderator, seines Zeichens Jurist, entschuldigte sich hinterher bei mir dafür, aber er habe nun einmal „von Blogs keine Ahnung.“ Ich nehme es ihm auch nicht übel, schließlich war ich in einer Diskussion mit derart juristischer Einfärbung etwas deplatziert. Das jedoch hat mich angesichts der vorherigen Themenumschreiben schon etwas gewundert. Schwamm drüber. Aus der hauseigenen Berichterstattung geht meine quasi Abwesenheit jedenfalls nicht hervor. Ich betrachte das Ganze einfach als gratis Rechtsberatung und interessant war es ja trotz alledem.
Bezahlte Kunst
Nur manchmal musste ich meinen Unmut etwas unterdrücken, wenn in Hinsicht auf Vertreter der Musikindustrie („Künstler“) von einer schrumpfenden und in diesem Sinne nicht mehr angemessenen Bezahlung gesprochen wurde, gegen welche sie sich zu wehren hätten. Bei über einer Million „Aufstocker“, deren Ganztagsarbeit in diesem Land nicht einmal für das Überschreiten der Armutsgrenze ausreicht, finde ich in diesem Kontext die Rede von „angemessener Bezahlung“ doch etwas schwierig – heute würde man wohl sagen: unerträglich.
Ich selbst habe schon Texte als Auftragsarbeit für weniger als einen Cent (in Zahlen: 0.008 €) pro Wort verfasst. Rechnen Sie einmal nach, wie viele Worte sie da in einer Stunde erdenken, aufschreiben und korrigieren müssen, um nur in die Nähe irgendeines Mindestlohnes zu kommen. Als Vertreter der brotlosen Künste ist man jedenfalls der Hochschule Mittweida sehr dankbar für die warmen Mahlzeiten und das kostenlose Doppelzimmer mit Panoramablick samt Halbpension in einem namhaften Hotel. Welchen Namen es trug, kann ich Ihnen übrigens an dieser Stelle nicht mitteilen. Mein Erstaunen über die großzügigen Finanzspritzen für das Medienforum Mittweida durch diverse Sponsoren hat sich nämlich etwas gelegt, seitdem ich mich selbst dabei ertappt habe, gleich im ersten Teil meines Berichts mit entsprechenden Firmennamen aufzutrumpfen. Ich gelobe Besserung und unterlasse im Weiteren solch Produktplatzierung.
Die üppige Ausstattung und professionelle Organisation des Medienforums Mittweida soll dennoch Erwähnung finden. „Luxus“ wäre eine Untertreibung, wo man heutzutage angesichts der Hartz4 Sätze bereits von römischer Dekadenz redet. Selbst Ich hatte eine „persönliche Ansprechpartnerin“, die mich in genannten Karossen herum chauffieren ließ und sich in meinem Terminplaner besser auskannte, als ich selbst. Sie tat mir manchmal etwas Leid, denn als Studentin durfte sie an den wirklich interessanten Veranstaltungen, wie etwa der Bierzeltgaudi, höchstens zapfend und wuchtend im Dirndl teilnehmen. Aber ich werde schon wieder viel zu sozial.
Gonzosoph auf Abwegen
Dieses Gutmenschentum kann ich sogleich anders akzentuieren und zwar mit folgendem Verweis: Den anwesenden Cherno Jobatey, mit dem ich kurz über Florian Silbereisen sprach und der hinterher die besagte bavarische Folklore moderierte (ein Kapitel für sich – bayrisches Bier und sorbische Volksmusik samt sächsischer Küche, anmoderiert von C.J. - melting-pot Mittweida), hielt ich die ganze Zeit für Mola Adebisi. Das müssen Sie entschuldigen, ich stamme aus der Provinz und deshalb besteht für mich zwischen verschiedenen anders pigmentierten Menschen leider Gottes wohl immer noch Verwechslungsgefahr. Mein unterirdisches Namensgedächtnis tut sein Übriges dazu. Herr Jobatey füllte jedenfalls seine Rolle als Sympathieträger recht gut aus, auch wenn ich ihn vorher durch seinen Auftritt in „Zimmer frei“ eher in schlechterer Erinnerung gehabt hatte. Interessant zu beobachten war auch die Rotte angehender Medienmenschen, die ihn noch bis zum Buffet zu verfolgen schien.
Gonzosoph im Aufwind
Da sind wir auch schon mitten in der ureigenlichsten Materie, weshalb so ein Kongress veranstaltet und besucht wird: Networking. Es geht ja nicht darum, was man sagt oder hört, sondern wen man trifft und bestenfalls sein Kärtchen zustecken kann. Ich hatte sowas schon geahnt, jedoch war ich in diesem Ausmaß nicht darauf vorbereitet. Ich habe ja nicht einmal ein Kärtchen. Was sollte darauf auch stehen? Wobei, mittlerweile verzichten Cracks dank Webpräsenzen doch sowieso auf derlei Printmedien. Ungeachtet solcher Widrigkeiten habe ich dennoch den ein oder anderen interessanten Menschen getroffen und durchaus fruchtbare Unterhaltung geführt. Explizit erwähnt sei Simone Janson (Networking!), deren Tipps zur Selbstvermarktung mich hoffentlich aus diesem Tal der Trübsal – genannt Unbekanntheit – herausführen und meinen Blog in nie geahnte Trafficsphären führen mögen. Angeblich ließe sich dann sogar Geld damit verdienen. Ja, keine „dshins“, sondern wirkliches Geld für das man einkaufen gehen kann!
Meine Tipps für das Networking sind übrigens ganz einfach:
1. So tun als ob man Erfolg hat.
2. Andere daran teilhaben lassen.
Ganz in diesem Sinne habe ich mein Namensschildchen („Referent: Friedhelm Robben – Autor“) lässig in der Sakkotasche getragen, denn wer so bekannt ist wie ich, setzt auf klassisches Understatement. Zumindest der abendliche Fahrdienst gab an mich zu kennen. Auf meine ungläubige Nachfrage hin teilte er mir mit, alle Mitarbeiter seien im Vorfeld zu jedem einzelnen Referenten „gebrieft“ worden – auch zu mir. Da wäre ich unglaublich gerne dabei gewesen.
(Kommentieren sie diesen Beitrag auf gonzosophie.de)Was lernt man auf einem Medienforum? Menschen kennen, eventuell auch sich selbst. Wo fängt man da an? Der Tag fängt mit der Nacht an, nicht mit dem Morgen. Vor Allem wenn man wiederholt nur ein paar Stunden schläft und um vier aufsteht, spielen in der Folge Uhrzeiten eine weitgehend untergeordnete Rolle gegenüber dem aufbegehrenden Kopfschmerz. Die Nacht jedenfalls war interessant und Baldrian ist ein zu recht kultiviertes Gewächs. Ich fahre also mit dem Zug buchstäblich quer durch Deutschland, den Kummerbund an Germanias Taille entlang in den tiefen Osten Die Haare hatte ich mir schneiden lassen, das Kaugummi von meinem Sakkoärmel geknibbelt - ich lehne mich einfach viel zu gerne irgendwo an - und die doch schon ziemlich ramponierten Schuhe geputzt. Allem Anschein nach ein gut integrierter und respektabler Bürger, nur etwas blass.
Das Thema würde die Verbreitung von Plagiaten innerhalb des Literaturbetriebes sein. Nicht, dass ich dazu einen großen Sachverstand mitbrächte. Eingeladen hatte man mich wohl aufgrund der Einfachheit, jemanden wie mich zu Googeln, sofern man nach den richtigen keywords sucht. Welche Rolle dabei spielte, dass ich Blogger und vielleicht sogar Autor in spe bin, kann ich nicht wirklich beurteilen. Sich selbst unter Juristen und Funktionsträgern als Exot zu sehen, erschien mir jedenfalls als sehr angenehm. Bezahlt werden würde jedenfalls alles und außerdem: Was habe ich schon zu verlieren, außer meinem Selbstbild? Unter Mittweida konnte ich mir so recht nichts vorstellen. Als ich die Einladung bekam, habe ich erst einmal nachgesehen, ob es das überhaupt gibt. Die Bildersuche spuckte zuvorderst das Foto zweier Glatzen auf einem Mofa aus, welche stolz Reichskriegsflagge und Hitlergruß präsentierten. Das absolute Ostklischee müsste einem an der holländischen Grenze Geborenen doch auch die 14 Stunden Zugfahrt wert sein. Die Seite des Medienforums Mittweida selbst wirkte professionell, dass Interesse an meiner Person ehrlich, wenn auch von meiner Warte aus unverständlich. Dennoch schlage ich ja kaum einmal die Gelegenheit aus, wenn man mich öffentlich reden lassen will:
Vom Raubdruck und seinem kreativen Potential
Das Plagiatsverbot in der Literatur ist eine englische Erfindung und anders als Rechtsradikalismus dem historischen Deutschen eher wesensfremd. Er raubdruckte ungestraft noch gut hundert Jahre vor sich hin, während der britische Autor längst geschützt wurde. Trotzdem bot der deutsche Literaturbetrieb zu dieser Zeit mehr Autoren auf und entlohnte diese dabei teilweise sogar wesentlich besser, als dies jenseits des Kanals üblich war. Im Empire Luxusware und kaum erschwingliches Statussymbol, wurden Bücher hierzulande eher verschlungen - als günstiges Konsumprodukt. Dadurch erhielten sie Breitenwirkung und das Romanelesen diente nicht bloß Distinktion sondern Identitätsbildung, wurde stil-, sinn- und namengebend für eine ganze Epoche. So war ich auf die Diskussion vorbereitet, in der es laut Programm sicher weniger um den 'Raubdruck' als um das, wie Iris Radisch es in der causa Hegemann nennt, 'falsche zitieren' gehen würde. Darum also, inwieweit Autoren Quellen ohne explizite Angabe oder Absprache verwenden, verändern und die Ergebnisse verkaufen dürfen, ohne sich stilistisch, juristisch oder moralisch schuldig zu machen.
Diese Debatte ist theoretisch nach Poststrukturalismus und Entdeckung der Intertextualität nicht einfacher, juristisch nach den Urheberrechtsexplosionen des vergangenen Jahrzehnts sicherlich relevanter geworden. Da ich mich aber in der Theorie nicht auskenne und das Recht jenen überlasse, die sich daran halten, ist die Sache für mich noch immer recht einfach: Es geht nicht darum, ob übernommen, übertragen oder übervorteilt wurde, sondern schlicht und einfach um die etwaige Verschleierung dieser Vorgänge. Die liegt dann vor, wenn maßgebliche Quellen nicht angezeigt und womöglich der relevanten Öffentlichkeit auch gar nicht bekannt sind. All das in einem Umfang und einer Nähe zur Quelle, dass es einem unangenehm auffiele, wenn man diese kennen würde Ein Beispiel:
Bin ich Schiller? Nein!
Zitiere ich in meinem Tagebuch einmal einen Sinnspruch Schillers ohne es weiter als Zitat auszuweisen, dann sollte man das auch so merken oder könnte es zumindest merken, da Schiller durchaus bekannt ist. Außerdem veröffentliche ich es nicht. Will man mir hier also Täuschungsabsichten unterstellen, müsste man mich für ziemlich dämlich halten. Druckt jedoch jemand längere Passagen meines Tagebuchs ab ohne meinen Namen dabei auch nur zu erwähnen, wäre ich für diesen eigentümlichen Versuch meine Privatsphäre zu schützen kaum sonderlich dankbar. Der Kopist könnte mit Sicherheit davon ausgehen, dass meine Tagebucheinträge von hoher Qualität und dennoch völlig unbekannt sind. Gewinn winkt. Solch ein Vorgang ist natürlich etwas völlig anderes als der formale Vorwurf des falschen oder das stilistische Manko des übermäßigen Zitierens erfassen. Man kann vom Diebstahl geistigen Eigentums sprechen.
Das Beispiel muss jedoch als Idealfall gesehen werden. Die Übergänge sind fließend und was noch Inspiration, was schon Plagiat ist, lässt sich literarisch gesehen wohl schlicht nur über die äußerst problematische Kategorie der Glaubwürdigkeit des Autoren oder, wie im Fall H., der Autorin entscheiden. Richtig ist nämlich, dass unangezeigtes Übernehmen von fremden Werken auch bei äußerst angesehenen Autoren durchaus Tradition hat. Einem Brecht verzeiht man es, weil man davon ausgeht, dass er schlichtes Stehlen nicht nötig habe. Auf diesen Punkt zielte auch die aktuelle Debatte ab. Wo von Kritikern, die „Axolotl Roadkill“ teilweise einfach nicht mochten, vor allem die Glaubwürdigkeit der Autorin angegriffen wurde, verteidigten andere nicht das Buch oder die Autorin gegen einen Plagiatsvorwurf, sondern ihre Authentizität und ihre literarischen Fähigkeiten. Hier geht es nicht um eine juristische Frage, sondern um ein Image - um Markenbildung. Es ließe sich auch kaum bestreiten, wie wichtig das Image eines Autors für seine Verkaufszahlen ist. Nicht erst die autobiographische Welle hat gezeigt, dass es viel entscheidender sein kann, wer ein Buch schreib(en läss)t, als was tatsächlich drinsteht.
Der Autor ist zwar tot, wird aber gut bezahlt
„Ja aber halt!“, werden die literaturwissenschaftlich Gebildeten unter Ihnen jetzt sagen, „amerikanische Wissenschaftler haben doch längst herausgefunden: Der Autor ist tot. Es gibt nur Text.“ Der Leser kauft jedoch etwas Anderes als bloßen Text. Natürlich hat der Einwand trotzdem Berechtigung und, ganz wie in den 90er Jahren, im Grunde jeder Recht: Ohne ein Werk an den Autoren zu koppeln macht ein Plagiatsvorwurf freilich keinen Sinn. Text ist Text und ebenso wenig Rechtsperson, die man anklagen könnte, wie Redundanz ein Straftatbestand ist. Der Autor will etwas übernehmen, weil er es nicht besser herzustellen vermag und es soll dennoch so erscheinen, als hätte er dieses Potential selbst entwickelt – dem Autoren ist etwas vorzuwerfen. Das einmal fertig gestellte Werk ist jedoch auf eine gewisse Weise vom Autoren losgelöst und für sich zu betrachten. Die Kopie kann maßgeblicher sein als das Original und auch einen hohen literarischen Wert besitzen. Nichtsdestotrotz muss sich der Autor den Plagiatsvorwurf in oben entwickeltem Szenario gefallen lassen, denn hier geht es nicht nur um Literatur, sondern auch ums schnöde Geld. Das hat sich verdient, wer etwas erschafft. Aber: Ein veröffentlichtes Werk soll den Autoren gerade deshalb zu Recht Geld einbringen, weil sie es für die Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Autoren und Öffentlichkeit haben dabei ihr Recht, letztere das Nutzungsrecht. Dieses macht nicht beim bloßen Konsumieren halt, denn Bücher werden nicht verdaut und wieder gänzlich ausgeschieden. Sie stiften Inspiration, schaffen Anknüpfungspunkte und gehen – hoffentlich – prägend in die Kultur ein. Wo jedoch nicht an ein Werk angeknüpft, sondern abgeschnitten wird, da lohnt der kritische Blick und eventuell die juristische Klage.
Die aktive Nutzung des kreativen Potentials eines Werkes scheint jedoch in der neueren Entwicklung des Urheberrechtes allenfalls eine untergeordnete Rolle zu spielen, gerade weil es immer stärker auf den Schutz der bloßen Konsumprodukte abzielt. Diese Spezialisierung führt jedoch nicht zu einem Anheizen von Kreativität, wie etwa in den Anfängen der Literatur ohne Urheberrecht, sondern zu einer regelrechten Flut von Klagen gegen vermeintliche Urheberrechtsverletzungen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich kann durchaus verstehen, dass in den Bereichen Popmusik und Mainstreamkino, auf welche die Verfechter dieser Verschärfung des Urheberrechts abzielen, Zweifel an der weiteren kreativen Nutzbarkeit der hergestellten Produkte gehegt werden. Sie werden ja einzig deshalb hergestellt, damit viele Leute davon leben können und zwar wesentlich besser leben können, als der Rest. Dementsprechend muss jede weitere Verwendung oder Veränderung als verdächtig gelten. Aber an diesem Punkt beende ich lieber den ersten Teil meines Berichtes über das Medienforum Mittweida, da mir zuletzt vorgeworfen wurde Ressentiments zu haben - gegen Leute, die besser (d.h. vornehmlich reicher) leben als ich. Sollte das der Fall sein, beruht das sicher zum Teil auf Gegenseitigkeit. Gerade in diesem Punkt sollte das Medienforum Mittweida für mich zur spannenden Erfahrung werden, versetzte es mich doch in eine völlig ungewohnte Umgebung. In einem VW Phaeton für über 100.000 Euro Listenpreis hatte ich vorher nämlich noch nie gesessen. Davon aber wie gesagt später mehr, denn das bisherige hatte ich geschrieben, bevor ich überhaupt in Mittweida angekommen war. Sie dürfen also gespannt sein. Ich war es jedenfalls.
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