Katharsis
gonzosophie | 30. März 08 | Topic 'Autolyse'
Warum glauben so viele von euch nur, der Tod würde das Leben abrunden? Dass er ein Traum sei, der sich aus dem Leben speise. Schmerz ist er; schwarz. In Dunkelheit und Leiden verliert sich jedes Ich.
Nehmt ein Rasiermesser. Setzt es euch an die Ferse und gleitet durch die Sehne. Näher werdet ihr den Tod nicht spüren. Da ist kein Leben. Die Schneide trieb noch jede Seele aus, denn Moiren knüpfen nicht. Schrill ist das Nichts, scharf ist der Tod. Und dennoch wartet man auf ihn, so wie man auf den Zahnarzt wartet. Es nützt doch alles nichts.
Ich bin zuhaus gewesen. Ich habe Ostern gefeiert. Ich ging in die Kirche. Drei Tage voller Luft und Worte. Dabei vergaß ich die, die mich schon längst vergessen hatten, und dacht an den, der meiner stets gedacht. Ach man ist ja so dumm, es immer schon gewesen. Und sehnt in Träumen sich nach dem, was man für Leben hält. So schläfert man sich ein, bis auch der Tod nichts weiter ist als noch ein müder Traum. Als warte er am Ende dieser dumpfen Nacht. Doch nur das eine ist gewiss: Am Ende, da ist Nichts.
Grundlos
gonzosophie | 18. Februar 08 | Topic 'Autolyse'
Wie das Meer ein altes Wrack, das auf einer Sandbank liegt, legst du mich immer wieder bloß. Umspülst die alten Wunden mir, die doch von dir selbst geschlagen. Danach deckst du mich wieder zu, bettest mich weich und still. Und wie ich schlafe, schwer, mit dem Geschmack von Rost. Niemand sieht mich, taucht zu mir herab.
Ganz allein liege ich und sinke weiter in den Sand. Bald ist’s als hätte es mich nie gegeben. Dann bin ich nicht mal mehr Gefahr – für die dort oben, die noch atmen müssen. Die sich fürchten im Vorüberziehen. Dass ich sie herunter reiße, hier zu mir ins Dunkel. Unters Meer, wo mich der Sand begräbt. Wie du.
Ganz allein liege ich und sinke weiter in den Sand. Bald ist’s als hätte es mich nie gegeben. Dann bin ich nicht mal mehr Gefahr – für die dort oben, die noch atmen müssen. Die sich fürchten im Vorüberziehen. Dass ich sie herunter reiße, hier zu mir ins Dunkel. Unters Meer, wo mich der Sand begräbt. Wie du.
[ ] essen [ ] auf
gonzosophie | 14. Februar 08 | Topic 'Autolyse'
Ich bin ein guter Wirt, bei mir gastiert die Angst frei haus, lieg ich nicht gerade zwischen Büchern. Ich liege nicht mehr viel. Angst scheucht mich auf. Angst treibt mich hinaus. Nur in Bewegung bleiben, immer nur. In Ruhe kommen die Gedanken, beginnt die Angst zu nagen. Seit langem bin ich teilverdaut. Was davon übrig bleibt ist weißgott nicht schön anzusehen.
Ulkus IV
gonzosophie | 02. Januar 08 | Topic 'Autolyse'
Es hat geklappt. Der Clip sitzt noch. Es blutet nicht mehr. Gleich geben sie mir nach 6 Tagen endlich wieder etwas zu essen - probehalber. Mit gemischten Gefühlen trete ich daran. Es ist schwierig mit ungekanntem Hunger langsam und vorsichtig zu essen, den Rest zurückgehen zu lassen, wenn der Magen voll ist, obschon der Körper noch weiter nach Nahrung lechzt. Aber nach drei Rückfällen kennt man die möglichen Konsequenzen. Man wird vorsichtiger und man weiß jeden Bissen zu schätzen, jeden Geschmack. Mehr als das Essen fehlt der Geschmack. Ich habe mir, hungernd daliegend, Kochsendungen angesehen - Trüffelragout. Das half zumindest sich zu erinnern, sich vorzustellen. Das Gehirn behält Geschmäcker zurück, für schlechte Zeiten vielleicht. Hoffentlich kann es nun wieder hamstern. Ich hab einen ganzen Schrank voll von Schokolade, selbstgebackenen Keksen, Nougat, Zartbitter, Weihnachtsmandeln. Ein Weihnachten, dass noch auf mich wartet. Es beginnt das Jahr nicht, bevor ich eine Tasse Kaffee mit Spekulatius genossen habe. Dann kann es kommen, das Neue.
Da ist das neue Jahr, im Nebel hat es sich angeschlichen, nachts. Plötzlich war 2008, Rattern, Pistolensalut und Feuerschein. Alles wie immer, nur ich nicht. Anämie, nüchtern und irgendwie müde, mit einer Waffe in der Hand. Seltsame Zeitenwechsel. Immerhin, seit Tagen kein Blut mehr gesehen, keine Nadel. Ich kann wieder essen und ich esse viel. Kein Wunder: 7 Kilo über die Feiertage verloren, nur noch 66k wiege ich nun - Fliegengewicht. Viel Schlaf, lesen, Zeit vertrödeln. Es hilft, nicht mehr über die Menschen nachzudenken, die mich bluten ließen. Melissentee. Aber was hilft es Homer zu lesen, den Werther? Wozu soll das führen außer zu einer Blutung; wohin, wenn nicht in sich selbst. Dahin, woher ich komme – alles normal, jetzt. Bleich wie immer. Und brennend hungrig.
Da ist das neue Jahr, im Nebel hat es sich angeschlichen, nachts. Plötzlich war 2008, Rattern, Pistolensalut und Feuerschein. Alles wie immer, nur ich nicht. Anämie, nüchtern und irgendwie müde, mit einer Waffe in der Hand. Seltsame Zeitenwechsel. Immerhin, seit Tagen kein Blut mehr gesehen, keine Nadel. Ich kann wieder essen und ich esse viel. Kein Wunder: 7 Kilo über die Feiertage verloren, nur noch 66k wiege ich nun - Fliegengewicht. Viel Schlaf, lesen, Zeit vertrödeln. Es hilft, nicht mehr über die Menschen nachzudenken, die mich bluten ließen. Melissentee. Aber was hilft es Homer zu lesen, den Werther? Wozu soll das führen außer zu einer Blutung; wohin, wenn nicht in sich selbst. Dahin, woher ich komme – alles normal, jetzt. Bleich wie immer. Und brennend hungrig.
Ulkus III
gonzosophie | 30. Dezember 07 | Topic 'Autolyse'
Frohe Weihnachten. Seit 3 Tagen außer Pillen nichts gegessen. Eben wurde mir mitgeteilt, dass die Gastro heute ausfällt, der Arzt ist wohl schon im Urlaub - nüchtern soll ich natürlich noch bleiben, zumindest bis morgen. Dann sind es schon 5 Tage nichts als lecker Antibiotika, Eisenpillen und Tropf. Morgen darf ich den Mitinsassen dabei zusehen, wie sie Gans oder Filetsteaks zum Mittag bekommen. Saure Gedanken. Was sich nun in meinem Innern abspielt sagt mir niemand. Blutwerte sind stabil. Ich fühl mich einigermaßen. Geduscht, rasiert. Schlapp, Hunger. Heute kommt Weihnachtsbesuch. Ich hab keine Geschenke, hatte als Lastminutemensch keine Zeit, welche zu kaufen. Regelmäßig höre ich wieder die Frage "Sind sie immernoch hier?". 16 Tage sind es nun schon. Frohe Weihnachten.
Ärzte sind auch nur Menschen. 2 Wochen haben sie nun an mir rumgedoktert. Mehrfach gelasert, unterspritzt usw. Jedes mal fing es wieder an zu bluten. Jedes mal nachdem ich wieder normal essen durfte. „Schneiden sie die Kruste des Brotes eigentlich ab? Die dürften sie normalerweise gar nicht bekommen“. Gut, dass man mir das nach 10 Tagen und drei Rückfällen gesagt hat. Nun haben sie über die Feiertage einfach mal gar nichts gemacht, obschon es geplant war, aber es hat ja kein Arzt Zeit. Für mindestens 6 Tagen gar nichts zu essen. So sind zumindest die Werte stabil. Das wird als Erfolg verkauft, als geplante Maßnahme. Im Befund stand noch etwas von baldiger Nachfolgeuntersuchung und abermals Speiseaufnahme. Egal. Zwei Wochen Therapie haben nichts gebracht, lediglich alles vernarbt, Nichtstun führt nun scheinbar zur Heilung. Hurrah. Ob es mit mir nun wirklich bergauf geht, kann mir niemand sagen. Die Gastroskopie macht Urlaub. Auf Nachfragen wird mir gesagt „Seien sie froh, dass sie noch einen Magen haben. Wunderbar. Die Frage, wessen Verdienst das ist, habe ich nicht in den Raum gestellt. Aber es geht mir gut, vielleicht heilt nun endlich alles. Sollte ich jedoch irgendwann mal halbtot umfallen und zufällig auf meppener Boden aufschlagen, egal wie ernst es ist: Bitte bringt mich woanders hin.
Ärzte sind auch nur Menschen. 2 Wochen haben sie nun an mir rumgedoktert. Mehrfach gelasert, unterspritzt usw. Jedes mal fing es wieder an zu bluten. Jedes mal nachdem ich wieder normal essen durfte. „Schneiden sie die Kruste des Brotes eigentlich ab? Die dürften sie normalerweise gar nicht bekommen“. Gut, dass man mir das nach 10 Tagen und drei Rückfällen gesagt hat. Nun haben sie über die Feiertage einfach mal gar nichts gemacht, obschon es geplant war, aber es hat ja kein Arzt Zeit. Für mindestens 6 Tagen gar nichts zu essen. So sind zumindest die Werte stabil. Das wird als Erfolg verkauft, als geplante Maßnahme. Im Befund stand noch etwas von baldiger Nachfolgeuntersuchung und abermals Speiseaufnahme. Egal. Zwei Wochen Therapie haben nichts gebracht, lediglich alles vernarbt, Nichtstun führt nun scheinbar zur Heilung. Hurrah. Ob es mit mir nun wirklich bergauf geht, kann mir niemand sagen. Die Gastroskopie macht Urlaub. Auf Nachfragen wird mir gesagt „Seien sie froh, dass sie noch einen Magen haben. Wunderbar. Die Frage, wessen Verdienst das ist, habe ich nicht in den Raum gestellt. Aber es geht mir gut, vielleicht heilt nun endlich alles. Sollte ich jedoch irgendwann mal halbtot umfallen und zufällig auf meppener Boden aufschlagen, egal wie ernst es ist: Bitte bringt mich woanders hin.
Ulkus II
gonzosophie | 29. Dezember 07 | Topic 'Autolyse'
In etwa 98% der Fälle heilt solch ein Geschwür ohne größere Komplikationen aus. Schon wieder intensiv. Der Arzt schüttelt den Kopf. Befund: „deutlicher Fibrinbelag am Boden einer kirschroten Veränderung“. Kein Blut im Umfeld, deutliche Narben. Mit Magensonden ist nichts mehr zu machen. Entweder das Geschwür heilt nun spontan in den nächsten Tagen aus, was es schon seit 2 Wochen hätte tun sollen, oder sie schneiden mir den Wanst auf. Ich hör sie schon wetzen. Heiligabend verbringe ich nun jedenfalls im Krankenhaus, wohl auf der Intensivstation. Vielleicht im OP. Angst? Vielleicht ja. Eher bin ich genervt; von mir, meinem Körper, der erfolglosen Therapie. Mittlerweile schlucke ich schon Globoli. Verschließe die Augen vor dem Außen. Nur liegt das Übel inwändig. Soweit ist es.
Die Sonne geht auf. Die Blutwerte sind gestiegen. Noch etwas schläfrig erwarte ich den Befund der vorangegangenen Gastroskopie. Draußen ist ein sehr schöner Tag, Die Bäume gepudert und die Luft klar. Man kann sie durch das Fenster fast schmecken. Ich habe wieder Hoffnung, sowas wie ein stilles Lächeln, das fern dem Galgenhumor ist. Seit 38 Stunden außer Pillen nichts gegessen. Die Nacht hatte ich so etwas wie gebetet (Du weißt schon, wie scheinheilig das aussieht), konnte nicht schlafen, „Magenverkleinerung“ und „künstlicher Darmausgang“ klangen nach. Ich ließ mir eine Tablette geben. Heute morgen dann geduscht, gekämmt, gefönt. Fast wie ein Mensch seh ich wieder aus. Gleich wird der Arzt kommen, mir sagen wie es weiter geht.
Sie haben gestern nochmal versucht einen Draht in mein Gedärm zu treiben. Dies ohne Bauchschnitt und augenscheinlich hat es geklappt. Der Chefarzt selbst war es diesmal. Ich weiß nicht ob das am Feiertagsdienst liegt oder an meinem Onkel, Mitglied des Krankenhauskuratoriums, der sich wohl eingeschaltet hat. Mein Name ist der Krankenhausleitung nicht fremd, scheinbar hatte man über meinen seltsamen Fall schon gesprochen. Für mich ist das nun alles irrelevant. Der Draht muss halten; ist er mittlerweile abgerutscht, stehe ich wieder am Anfang oder vielmehr am Ende. Ich fühle mich wiedermal "eigentlich ganz gut". Der Kreislauf ist stabil, die Blutwerte wohl ebenfalls. Dennoch, ich habe ein Brennen im Magen, ein unheimliches Grummeln. Liegt das nun an 2 Tagen ohne Nahrung oder hat sich der Draht längst verabschiedet? Gleich wird nochmal Blut abgenommen, der Wert kontrolliert. Dann kommt der Morgen, der Befund.
Die Sonne geht auf. Die Blutwerte sind gestiegen. Noch etwas schläfrig erwarte ich den Befund der vorangegangenen Gastroskopie. Draußen ist ein sehr schöner Tag, Die Bäume gepudert und die Luft klar. Man kann sie durch das Fenster fast schmecken. Ich habe wieder Hoffnung, sowas wie ein stilles Lächeln, das fern dem Galgenhumor ist. Seit 38 Stunden außer Pillen nichts gegessen. Die Nacht hatte ich so etwas wie gebetet (Du weißt schon, wie scheinheilig das aussieht), konnte nicht schlafen, „Magenverkleinerung“ und „künstlicher Darmausgang“ klangen nach. Ich ließ mir eine Tablette geben. Heute morgen dann geduscht, gekämmt, gefönt. Fast wie ein Mensch seh ich wieder aus. Gleich wird der Arzt kommen, mir sagen wie es weiter geht.
Sie haben gestern nochmal versucht einen Draht in mein Gedärm zu treiben. Dies ohne Bauchschnitt und augenscheinlich hat es geklappt. Der Chefarzt selbst war es diesmal. Ich weiß nicht ob das am Feiertagsdienst liegt oder an meinem Onkel, Mitglied des Krankenhauskuratoriums, der sich wohl eingeschaltet hat. Mein Name ist der Krankenhausleitung nicht fremd, scheinbar hatte man über meinen seltsamen Fall schon gesprochen. Für mich ist das nun alles irrelevant. Der Draht muss halten; ist er mittlerweile abgerutscht, stehe ich wieder am Anfang oder vielmehr am Ende. Ich fühle mich wiedermal "eigentlich ganz gut". Der Kreislauf ist stabil, die Blutwerte wohl ebenfalls. Dennoch, ich habe ein Brennen im Magen, ein unheimliches Grummeln. Liegt das nun an 2 Tagen ohne Nahrung oder hat sich der Draht längst verabschiedet? Gleich wird nochmal Blut abgenommen, der Wert kontrolliert. Dann kommt der Morgen, der Befund.
Ulkus I
gonzosophie | 28. Dezember 07 | Topic 'Autolyse'
An Schläuchen vergeht eine Nacht,
an den Tag darf man nicht denken,
Hoffen muss man:
Ein Morgen.
„Hej licht up intensiv“. Keine Ortsbeschreibung, ein Zustand. „Hatten Sie viel Stress in letzter Zeit?“. Eine Metapher für das Leben: Blut vermengt mit Kot. Tod stinkt so. Selbstverdauung, Eigenperforation, „In ihrem Alter ist sowas selten.“. Zweieinhalb Dekaden, da sollte man noch kein Blut speien. Vielleicht war es nur der Schnaps, der Schlaf, das Essen. „Das ist schon ernst.“ Ich hab zuviel geschluckt in letzter Zeit; mir zuviel in den Rachen werfen lassen. Zuviel. Ja, blass war ich schon immer, es geht mir eigentlich ganz gut. Styx rauscht; hintergründig. „Sie können jetzt die Angehörigen reinlassen“. Man realisiert es plötzlich: Angehörige. Was soll ich euch sagen? Hab mir wohl ein Loch in den Bauch gefreut. Keine Schmerzen, keine Schmerzmittel; ilicet! „Wie alt waren sie nochmal? Das ist ja schon heftig, also ich finde das heftig.“ Danke, aber mir schwindelt. Fieber? Hunger habe ich. Die Nacht liegt so brach auf elektrischen Betten; wenigstens abgeklemmt haben sie mich. Ungewollte Epilation. „Bitte sehr.“ Ein Lächeln, eine Wonne, genannt Brühe – wunderbares Kindbettschlürfen. Sogar Kaffee nun, ich dachte, der sei jetzt Tabu. Dennoch
Ich sollte nichts tun, denken, mich nicht empören; meine Wünsche vergessen: gilt nun für weise. Keine 25 und schon zu weise zuwenig zu wissen, brütend zu fragen, wuchernd und gärend, durch ein Geschwür in das Gedärm mein Blutt zu betten; Knospen führe ich ab, auf dass sie erblühen. Saure Tage, wahrlich. „Sie dürfen schon aufstehen, oder?“ Ja, verdammt. Auferstanden, am zweiten Tage schon. – Alles, alles war gut.
Was kann ein Lächeln nicht alles tun, was ein Gesicht. Aber vieles davon hat sicher lediglich hormonelle Gründe...
Halb Acht morgens am Sonntag. Ich lecke einen Saum Herbstblut ums Porzellan und sinke in mich. Das war’s Der Keim sprießt auf, zurück taumelnd, schwärzt mir. Alles, alles wird kalt. Tod zittert. Die Schwester überwindet ihre Panik, ich folge ihr. Sicher ist es nicht so schlimm. Das viele Blut, naja. Aus der Narkose erwachend liegt mein Pegel bei gut einem Drittel des Soll. Man merkt es: Blut ist für Leben nicht nur eine Metapher, ein schönes Wort bei Benn. Die Dimensionen gewinnen an Tiefe. Ich sehe aus wie eine Leiche; wird mir gesagt. Zu schwach aufzustehen fehlt mir die Bestätigung. Warten muss ich, schlafen kann ich nicht, nicht einmal lesen. Wieder intensiv; Contrafaktum zum Leben der Patienten. Dick, und süß wie Marmelade, tröpfelt eine Konserve in den zerstochenen Arm. Die Ärzte unterhalten sich mit mir über Novalis, Safranski, über Schiller („Es ist der Geist, der sich den Körper baut“). Man schiebt mich in ein unbelegtes Zimmer. Weg von dem Gestank, der Auflehnungen einer Frau mit Bewusstseins- und Verhaltensstörungen. Durch den Vorhang habe ich nur ihren Umriss erspähen können. Schwierig ihr Alter am Schatten der Frisur zu erraten; gut 50 tippe ich. Ihr Mann spricht sie nur mit „Frau“ an. Seltsam ist’s, so gestellt zwischen Geräten. Hierher passen keine Gedichtbände, kein Bleistift. Hierhin gehören Kugelschreiber wie Skalpelle. Man schmeckt, an riecht wie sich der Tod gewandelt hat, das Sterben. Herr E. wird alle paar Tage mal aufrecht hingesetzt. Er will sich die Magensonde aus der Nase ziehen, kann aber den Arm nicht mehr heben die Sprache dürftig, „Auf Wiedersehen“ sagt er. Keiner weiß, wie er das meint. Alzheimer, Parkinson, Endstadium. Die Schwestern scherzen. Nur die Ironie mit ihrer Verkehrung lässt kurz Leben aufblitzen an diese Ort. Viel ist nicht drin. Nur raus hier, nur raus. Das kann, dass darf mein Platz nicht sein. Noch nicht.
an den Tag darf man nicht denken,
Hoffen muss man:
Ein Morgen.
„Hej licht up intensiv“. Keine Ortsbeschreibung, ein Zustand. „Hatten Sie viel Stress in letzter Zeit?“. Eine Metapher für das Leben: Blut vermengt mit Kot. Tod stinkt so. Selbstverdauung, Eigenperforation, „In ihrem Alter ist sowas selten.“. Zweieinhalb Dekaden, da sollte man noch kein Blut speien. Vielleicht war es nur der Schnaps, der Schlaf, das Essen. „Das ist schon ernst.“ Ich hab zuviel geschluckt in letzter Zeit; mir zuviel in den Rachen werfen lassen. Zuviel. Ja, blass war ich schon immer, es geht mir eigentlich ganz gut. Styx rauscht; hintergründig. „Sie können jetzt die Angehörigen reinlassen“. Man realisiert es plötzlich: Angehörige. Was soll ich euch sagen? Hab mir wohl ein Loch in den Bauch gefreut. Keine Schmerzen, keine Schmerzmittel; ilicet! „Wie alt waren sie nochmal? Das ist ja schon heftig, also ich finde das heftig.“ Danke, aber mir schwindelt. Fieber? Hunger habe ich. Die Nacht liegt so brach auf elektrischen Betten; wenigstens abgeklemmt haben sie mich. Ungewollte Epilation. „Bitte sehr.“ Ein Lächeln, eine Wonne, genannt Brühe – wunderbares Kindbettschlürfen. Sogar Kaffee nun, ich dachte, der sei jetzt Tabu. Dennoch
Ich sollte nichts tun, denken, mich nicht empören; meine Wünsche vergessen: gilt nun für weise. Keine 25 und schon zu weise zuwenig zu wissen, brütend zu fragen, wuchernd und gärend, durch ein Geschwür in das Gedärm mein Blutt zu betten; Knospen führe ich ab, auf dass sie erblühen. Saure Tage, wahrlich. „Sie dürfen schon aufstehen, oder?“ Ja, verdammt. Auferstanden, am zweiten Tage schon. – Alles, alles war gut.
Was kann ein Lächeln nicht alles tun, was ein Gesicht. Aber vieles davon hat sicher lediglich hormonelle Gründe...
Halb Acht morgens am Sonntag. Ich lecke einen Saum Herbstblut ums Porzellan und sinke in mich. Das war’s Der Keim sprießt auf, zurück taumelnd, schwärzt mir. Alles, alles wird kalt. Tod zittert. Die Schwester überwindet ihre Panik, ich folge ihr. Sicher ist es nicht so schlimm. Das viele Blut, naja. Aus der Narkose erwachend liegt mein Pegel bei gut einem Drittel des Soll. Man merkt es: Blut ist für Leben nicht nur eine Metapher, ein schönes Wort bei Benn. Die Dimensionen gewinnen an Tiefe. Ich sehe aus wie eine Leiche; wird mir gesagt. Zu schwach aufzustehen fehlt mir die Bestätigung. Warten muss ich, schlafen kann ich nicht, nicht einmal lesen. Wieder intensiv; Contrafaktum zum Leben der Patienten. Dick, und süß wie Marmelade, tröpfelt eine Konserve in den zerstochenen Arm. Die Ärzte unterhalten sich mit mir über Novalis, Safranski, über Schiller („Es ist der Geist, der sich den Körper baut“). Man schiebt mich in ein unbelegtes Zimmer. Weg von dem Gestank, der Auflehnungen einer Frau mit Bewusstseins- und Verhaltensstörungen. Durch den Vorhang habe ich nur ihren Umriss erspähen können. Schwierig ihr Alter am Schatten der Frisur zu erraten; gut 50 tippe ich. Ihr Mann spricht sie nur mit „Frau“ an. Seltsam ist’s, so gestellt zwischen Geräten. Hierher passen keine Gedichtbände, kein Bleistift. Hierhin gehören Kugelschreiber wie Skalpelle. Man schmeckt, an riecht wie sich der Tod gewandelt hat, das Sterben. Herr E. wird alle paar Tage mal aufrecht hingesetzt. Er will sich die Magensonde aus der Nase ziehen, kann aber den Arm nicht mehr heben die Sprache dürftig, „Auf Wiedersehen“ sagt er. Keiner weiß, wie er das meint. Alzheimer, Parkinson, Endstadium. Die Schwestern scherzen. Nur die Ironie mit ihrer Verkehrung lässt kurz Leben aufblitzen an diese Ort. Viel ist nicht drin. Nur raus hier, nur raus. Das kann, dass darf mein Platz nicht sein. Noch nicht.
Aus dem Leben eines Taugenichts
gonzosophie | 23. November 07 | Topic 'Autolyse'
Ich lief durch die Nacht, doch sie war weder warm noch kalt, weder dunkel noch hell. Sie lag einfach da, blond wie sie war und hat mich ausgelacht. Der Abend schmeckte als würde die Nacht mir Tod bedeuten. Doch nichts als Spazieren war sie, mit Galgenstrick als wärmendem Schal. Der Horizont rauschte gewöhnlich, der Mond lag nur fahl. Ich kehrte heim zu mir und fand keine Welt, nur ein stilles Kabuff.
Trinken, reden, schauen, trinken, trinken. Durchs Raster gefallen, mal wieder. Mir fehlt im Grunde nur die letzte Konsistenz. Wäre ich nicht so zerstreut, fiele ich auseinander. Und das könnte doch die bessere Alternative sein. Das, oder nach Italien zu fahren. Wo die Pomeranzen wachsen. Aber was gehen mich schon eure Pomeranzen an....
Trinken, reden, schauen, trinken, trinken. Durchs Raster gefallen, mal wieder. Mir fehlt im Grunde nur die letzte Konsistenz. Wäre ich nicht so zerstreut, fiele ich auseinander. Und das könnte doch die bessere Alternative sein. Das, oder nach Italien zu fahren. Wo die Pomeranzen wachsen. Aber was gehen mich schon eure Pomeranzen an....
Kopffüßer
gonzosophie | 06. November 07 | Topic 'Autolyse'
Diese graue Welt aus kalten Glasgestalten, lieblos, leblos um mich her. Ich greife nichts. Verdünnt mein Blut, mein Atem flach - gefaltet bin ich, abgepackt. Ach nein, nicht einmal das. Irdene Wünsche, eherne Erde. Ich zerschelle. Nur Scherben bleiben, Ton und Steine. Nicht ein Geräusch, kein Wort. Auch das nennt man nun Kommunikation. Wie denn auch nicht. Ich kann mich nicht entsinnen. Leider nicht. Ich liege einfach da, dekonstruiert, falsifiziert, enttabuisiert. Mit dem Charme von Fäkalien, genau so gewöhnlich.
Ich treibe mich voran, durch die Nacht, Erlaube mir nicht zu Schlafen, erlaube mir nicht. Ich renne davon. Nein! Wirr. Warum mache ich das? Nicht denken – tun. Ich spüre meine Nerven knistern, das Glühen in der Brandruine. Werfe mich gegen die Wand. Keine Angst – Stahlbeton. Mein Magen knurrt, die Augen stieren, das Fleisch ist wund meliert. Ich gehe nieder, um mich schlagend, im Bett, ein Buch erwischend.
Nichts wichtiges, alles so unwirklich ist es erst dunkel, wieder hell. Vergessen schon unter Gelächter der Vögel dort. Vögel im November. Mein Blut ist längst geronnen, ich bin ein toter Mann. Mein Leben ist genommen, ich weiß nicht wer es nahm. Nein! Schlafen jetzt, es muss gelingen! Schlafen, wachen, wie Milliarden. Schwarmverhalten, Schutzfunktion. Ich will nicht auf der Strecke bleiben. Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht wirklich.
Ich treibe mich voran, durch die Nacht, Erlaube mir nicht zu Schlafen, erlaube mir nicht. Ich renne davon. Nein! Wirr. Warum mache ich das? Nicht denken – tun. Ich spüre meine Nerven knistern, das Glühen in der Brandruine. Werfe mich gegen die Wand. Keine Angst – Stahlbeton. Mein Magen knurrt, die Augen stieren, das Fleisch ist wund meliert. Ich gehe nieder, um mich schlagend, im Bett, ein Buch erwischend.
Nichts wichtiges, alles so unwirklich ist es erst dunkel, wieder hell. Vergessen schon unter Gelächter der Vögel dort. Vögel im November. Mein Blut ist längst geronnen, ich bin ein toter Mann. Mein Leben ist genommen, ich weiß nicht wer es nahm. Nein! Schlafen jetzt, es muss gelingen! Schlafen, wachen, wie Milliarden. Schwarmverhalten, Schutzfunktion. Ich will nicht auf der Strecke bleiben. Nicht jetzt. Nicht hier. Nicht wirklich.
Tran
gonzosophie | 19. Oktober 07 | Topic 'Autolyse'
Die Tage flüchten sich vor mir in weiche Kissen, taube Träume, und das Gekrakel meiner Zettelwut. Mein Speichel fließt auf das Papier, raue Zeilen tupfen mir die Stirn. Wo ist mein Blut, wo bleibt die Nacht? Ich trage meinen Torso durch die Stunden. Kein Brief, kein Wort, das warme Leiden schafft. Brennt doch das Ich-Gefühl in meinen Wunden. Es tropft kein Blut, nur Venentränen in der Nacht.
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