Gonzosophie
Klotzwater, ein historischer Roman I – II
gonzosophie | 25. Januar 09 | Topic 'Experimentelle Metaphorik'

Da durch die Deaktivierung der Kommentare im alten Blog und deren gänzlicher Verlust im neuen die Geschichte um Oberleutnant Bölke und seine Recken nicht länger einsehbar ist, habe ich mich entschlossen, sie erneut einzustellen. Ich hab außerdem noch eine kleine Fortsetzung geschrieben, die anbei gefügt ist. Viel Spaß damit.

<„Ja!“ rief sie aus, „ein Maler, das muß es wohl sein, denn sie sind weder alt noch vornehm genug, um dergleichen Szenen zu bedürfen.“>
(Goethe, Briefe aus der Schweiz)

Der Himmel war von Blau bedeckt und die Sonne brannte auf ihn nieder. Vom Ende der Straße war des schmerzgetränkte Jaulen eines Hundes zu hören, dazu lautes Gekreische. Bölke trat mit Wucht gegen die Tür, blickte sich draußen um und stampfte in Richtung des Lärms. Der Anblick widerte ihn an. In der Mauerecke zwischen zwei Häusern lag zusammengekauert der Körper einer alten Dogge. Um sie herum standen vier junge Burschen und droschen mit Latten, die sie wohl aus den Trümmern der Bäckerei gezogen hatten, auf den nun bereits toten Hund ein. Dabei feuerten sie sich gegenseitig an, dass aufgeplatzte Fleisch des Tieres weiter zu zerschmettern. Stücke von schwarzem Fell hingen an den Nägeln, die hier und dort aus dem Holz ragten. Unter ihren wütenden Schreien hörten die Jungen weder Bölkes Schritte, noch das Durchladen seiner Dienstpistole. Als der erste zusammensackte, änderte das noch nichts an dem Mordglanz in ihren Augen. Die Schläge hörten erst auf, als der Kopf des zweiten zu explodieren schien. Dass Hirnmasse und Schädelsplitter nun plötzlich in Richtung des Hundes und nicht aus jenem heraus spritzten, ließ die beiden sich erschrocken umsehen. „Macht, dass ihr nach Hause kommt!“ herrschte Bölke sie an und schickte ihnen noch ein paar ungezielte Schüsse mit auf den Weg, bevor er zurück zur Baracke stiefelte.
„Verkommenes Dreckspack...“ murmelte er, als er die Tür hinter sich schloss. „Was war denn los?“ fragte Meier, der sich gerade die Hosenträger über seine Schultern streifte. Sein Blick drückte recht deutlich aus, was Bölke von Meier hielt. Doch jener wäre nie im Stande dazu gewesen, diesen Blick zu deuten. Aus einer Ecke drang ein Wimmern. „Lebt die etwa noch?“ raunte Bölke den dicklichen Mann in seiner dennoch zu groß geratenen Uniform an. Der stotterte nun irgendetwas von Kooperation und weichen Haaren. Bölke griff wortlos nach seiner Pistole, sie brachte jedoch mit jedem Abdrücken nur mechanisches Klicken hervor. „Verdammtes Dreckspack...“ murmelte er noch einmal und steckte die P08 zurück ins Holster, während er seinen Penis aus der Hose zog. „Naja, uns gehen langsam die Untermenschen aus. Wird Zeit, dass die Front wieder verlegt wird.“ Seine Stimme schlug nun den gewohnten Befehlston an: „Meier, treiben sie ne Karre auf, meinetwegen auch ein Krad, Hauptsache weg hier. Und holen sie den Leutnant in spe, der kann hier zur Abwechslung auch mal die Scheiße wegräumen.“ Meier straffte seine Haltung. „Jawohl Herr Oberleutnant!“ stieß er hervor, drehte sich auf der Stelle um und ging. Bölke sah ihm zur Tür hinaus nach und schüttelte den Kopf. Er goss sich einen Wodka ein, während er mit der linken Hand langsam seine Vorhaut vor und zurück schob. Nun musste er doch etwas lächeln.

Exploration, dachte Bölke, das Streben nach Glück. Er schlug gegen die Sicherung der MP, die sich mit einem lauten ‚Schnack‘ löste. „Jedem das seine“, rief er den Leuten zu. Dann schoss er das Magazin leer. Die rauchende Mündung sank nach unten. „Weg mit denen.“ Der Uffz nickte.
Bölke war ein Mann der Tat, trotzdem waren ihm diese Erschießungen zuwider. Er sah darin keinen Sinn - es traf ja doch nie die richtigen. Leid tat es ihm dennoch nicht, Befehl war Befehl und niemals grundlos. Heute Morgen hatte es einen Gefreiten beim Austreten erwischt. „Nicht mal mehr in Ruhe scheißen lässt sich hier!“, sagte der Wachhabende, der die Leiche fand. So ließ sich kein Krieg führen, begründete der Major seine Entscheidung. Für das Erschießungskommando fuhr heute Abend ein Sondertransport in den Puff. Fragen blieben deshalb keine offen. Bölke löste die Haltemutter und nahm den Abzug vom Lauf. Er reinigte und fettete alles gründlich. Draußen standen einige Einheimische, die sich wohl für irgendetwas freiwillig meldeten. Räumungsarbeiten oder dergleichen. Wen interessierte das schon. 12 Wochen waren sie nun schon hier, bald würde es kälter werden und an Vorwärts war nicht zu denken. Wenigstens fehlte es nicht an Schnaps und Tabak. Den Männern machte es das Gammeln leicht. Und das Töten, wenn es denn dazu kam. Meistens war zum Töten gar kein Anlass. Tagelang standen sie nur Posten, liefen die Feldwege Patrouille, auf und ab wie auf dem Exerzierplatz. Manchmal platzte dabei einem das Gesicht weg oder die Brust zerbarst. Heckenschützen waren ein ständiges Problem und ihr Kaliber .50 demoralisierte die Truppe. Dann ließ man ein paar Leute abknallen, doch das half nichts. „Dies Pack wird schon noch anständig!“, brachte der Major einmal als Trinkspruch. Bölke war da anderer Meinung. Was wollten sie überhaupt hier? Der Sinn der ganzen Unternehmung war ihm nie aufgegangen. Weder gab es hier Güter noch Positionen von materiellem oder strategischem Wert. Manchmal glaubte er, sie alle seien vom Oberkommando lediglich deshalb hier stationiert worden, weil am Arsch der Welt ihre Methoden kaum auffielen. Die Strategie hatte sich wohl geändert. Erst der Drill, dann ein paar Räumungsbefehle und nun seit Monaten das hier. Da hätte man ja gleich verweigern können. Bölke goss sich vom Cognac ein und sah dabei zu, wie im Innenhof die Leichen aufgeladen wurden. Ein Besuch im Puff war wenigstens eine nette Abwechslung. Nicht das man es wirklich Puff nennen konnte, die meisten Frauen waren ja nicht einmal bei Bewusstsein. Krieg ist halt Hölle, dachte Bölke, wie schon in Kabul. Er grinste.

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