Gonzosophie
"Vanitas Mundi."
gonzosophie | 22. April 08 | Topic 'Marginalien'
Ich werde nicht lange dauern. Das ist mir nicht erst seit meinem Blutsturz bewusst. Sie sollten sich also beeilen, wollen sie mich noch erleben.. Ich habe mehrere Krebsfälle in der Familie. Meine Großeltern sind lange tot. All das hebt nicht gerade meine statistische Lebenserwartung und somit bin ich das, was ich immerzu vermeiden wollte: der berechenbare Mensch. Wir einsamen Männer sterben früher. Wir gebildeten Männer sind einsamer. Ich kann nur denken, wenn ich allein bin und allein bin ich, solange ich denken kann. So füge ich mich denn auch:
Abschließen. Gestern löschte ich den Nachrichtenspeicher des letzten Jahres, warf ein paar Adressen weg, einige Briefe. Ich vergesse schon und lasse vieles los. So wenig lässt sich halten, egal wie sehr man es versucht. Jedes Wir ist flüchtig.
Aber es gibt auch nicht sehr viel mehr, dass wirklich Leben ist. Die Löhne sinken, die Billigentlohnten werden nicht nur unter den Akademikern ein immer größerer Anteil, 22% des gesamten Arbeitsmarktes – fast schon so viel wie in den USA. Die Inflation steigt, die Nahrung wird teurer. Die Leute sind seltener krank, trauen sich einfach nicht mehr es zu sein, haben sie doch von Studium oder der Altersvorsorge einen riesiegen Schuldenberg, der sie extrem abhängig macht. Das lässt sie aber nicht rebellisch werden, im Gegenteil. Konsum bindet ein. Kinder sind es wieder wert, dass man sie gebärt. Sind sie erst da, brauchen sie feste Verhältnisse. Kleinfamilie, Vereinswesen. Wert ist Erfolg heißt Beruf. Selbst die nachwachsenden Teens streben in diese Richtung. Natürlich nicht ohne wild frisierte Haare und Drohgebärden, aber es besteht ein Unterschied zwischen Rebellion und unartig sein. Werbekampagnen sind soweit ins Hirn vorgedrungen, dass sie selbst den Deutschen wieder stolz sein lassen. All das und noch viel, viel weniger. Man braucht keine Dämonen wie den Terrorismus oder das Klima um den Leuten die Welt zu simplifizieren, sie selbst sind einfach genug geworden um nicht einmal mehr an Ideale zu glauben. Außer an das vom eigenen Körper. Bis der einen dann irgendwann im Stich lässt. Freut euch schon darauf. Es ist eine große Überraschung, kann ich euch sagen. Sterben ist kein Floating.