Gonzosophie
18. Februar 2011
Entschuldigung, Herr Guttenberg
gonzosophie | 18. Februar 11 | Topic 'Zur Sache selbst'
Sehr geehrter Herr Guttenberg, verehrte Leserserschaft – ich muss mich in aller Form bei Ihnen entschuldigen. In den vergangenen Tagen habe ich mich mehrfach dazu hinreißen lassen, meine Empörung über den von mir so genannten Betrug unseres Verteidigungsministers innerhalb seiner Doktorarbeit mit harschen Worten und Vergleichen zu kritisieren. Dies war ein völlig unangemessenes und beleidigendes Verhalten meinerseits in Wort und Schrift.

Ich kann mein Fehlverhalten nur damit erklären, dass ich in diesem Betrug einen Verstoß sah gegen alles, was heute zumindest unter Ehrenmännern (noch) als wahr und ehrlich gilt – nämlich wissenschaftliche Arbeitsweise, juristische Legitimität und persönliche Redlichkeit. Diese Auffassung ist natürlich völlig vermessen. Glücklicherweise wies mich Dr. Schäuble, heute Morgen im Deutschlandfunk zum Plagiat befragt, darauf hin, dass jeder Mensch manchmal einen Fehler begehe. Wer niemals derlei Verstöße beginge, sei ihm … nunja, ein verdächtiger Mensch.

Dieses Bekenntnis eines konservativen Politikers hat mich überzeugt. Ist Clementia, die milde Barmherzigkeit, doch eine grundlegende Tugend, der auch ich mich verpflichtet fühle. Wem soll sie denn gelten, wenn nicht einem Mitglied der Christsozialen Union?

Bei meinen Auslassungen habe ich leider völlig außer Acht gelassen, dass im gesellschaftlichen Diskurs meine Auffassung von wissenschaftlicher Redlichkeit und persönlicher Integrität nur eine Position unter gleichgültigen ist. Sie, Herr Guttenberg, vertreten nun einmal eine andere Meinung. Für Sie sind Plagiatsvorwürfe in jedem Fall, auch wenn Sie selbst um deren Stichhaltigkeit wissen, abstrus. Auch haben Sie kein Problem damit, einen Betrug zu begehen. Diese Meinung muss ich als Demokrat tolerieren und, ja, auch respektieren. Schließlich waren alle meine großen Vorbilder Rebellen wider überkommene Institutionen und bürgerliche Scheinmoral – ganz wie Sie, Herr Guttenberg.

Völlig fehl am Platze waren deshalb meine Auslassungen über den Zustand ihrer moralischen Gesinnung oder gar oberflächliche Häme bezüglich ihres „halbseidenen“ Aussehens, dass ich für eine solche Handlungsweise als angemessen bezeichnete. Ich entschuldige mich also in aller Form für mein unredliches Verhalten und gestehe meine Fehler ein. Sollten mir derlei Verfehlungen abermals unterlaufen, entschuldige ich mich übrigens auch gerne dafür. Streichungen oder Verbesserungen der Anschuldigungen werde ich bei einer möglichen Neufassung berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüßen verbleibe ich hochächtungsvoll,
Ihr Gonzosoph

PS/Nachtrag: Sollte ich Sie, Herr "formerly known as Dr." Guttenberg, vormals als Dokor angesprochen haben, bitte ich auch diese Verfehlung zu entschuldigen...



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Mutmaßliche Mutmaßungen – Guttenberg deloaded
gonzosophie | 18. Februar 11 | Topic 'Zur Sache selbst'

Wenn Sie jemanden mit einem blutigen Messer in der Hand über einer blutüberströmten Leiche finden, haben Sie einen mutmaßlichen Mörder vor sich. Er ist nur mutmaßlich Mörder, weil Sie (noch) nicht beweisen können, ob er tatsächlich gemordet hat. Es deuten schließlich nur Indizien darauf hin. Hier bedarf es zur juristischen Urteilsfindung eines langen Prozesses, denn vorerst muss die Unschuldsvermutung gelten – was Sie nicht davon abhalten wird, erst einmal die Polizei zu rufen.

Wenn Sie dagegen genau sehen, wie ein Mörder jemanden ermordet, werden Sie ihn kaum als „mutmaßlichen Täter“ titulieren. Begehen Sie deshalb eine Vorverurteilung? Offenkundig, denn momentan warnen sämtliche konservativen Lautsprecher vor einer „Vorverurteilung“ Guttenbergs. Hier geht es nicht um Mord, sondern um eine veröffentlichte Arbeit – das ist das Schöne daran. Dabei kann sich jeder ein klares Urteil über die Vorwürfe bilden: Man muss sich nur seine veröffentlichte Doktorarbeit ansehen und die Artikel und Aufsätze, aus denen er teils wörtlich, teils ganz leicht abgewandelt übernommen hat, ohne es irgendwie zu kennzeichnen. Da ist anhand wissenschaftlicher Zitations- und Benimmregeln nicht viel falsch zu interpretieren.

Soll er? Er sollte nicht!

Die Frage ist also keinesfalls mehr, ob er ungekennzeichnete Passagen einfach übernommen hat. Die Frage lautet nur noch, wie man dies juristisch, politisch oder moralisch bewerten wird. Es handelt sich folglich auch nicht mehr um „Anschuldigungen“, wie in sämtlichen Medien kolportiert wird, sondern um Beweise. Diese Beweise häufen sich. Deshalb ist es auch ziemlich fragwürdig, warum die Zeit oder tagesschau.de noch immer davon sprechen, Guttenberg „soll“ etwas übernommen haben - er hat.

Das haben übrigens auch die FAZ und die NZZ erkannt, aus denen er ja teilweise übernommen hat. Sie fordern folglich zumindest eine Entschuldigung des Ministers. Anders als von der CSU und meinungsstarken Bürgern nunmehr vertreten, kommen diese „Anschuldigungen“ also mitnichten allein aus der „ganz linken Ecke“ oder sind eine bloße „Schmutzkampagne des politischen Gegners“. Die Beweise liegen, wie gesagt, auf dem Tisch. Will man sie nicht zur Kenntnis nehmen, muss man schon die Augen schließen.

Schmutz- und Trutzkampagnen

Es hat sich aber wohl mittlerweile so eingebürgert. Also nicht das Plagiat, sondern dieser Umgang mit Vorwürfen gerade gegen Politiker. So wie jeder Politiker sich anhören muss, dass ihn bei seinen guten Taten - sofern er sie tatsächlich einmal vollbracht hat - nur parteitaktische und opportunistische Beweggründe dazu veranlasst haben, so kann er sich bei sämtlichen Anschuldigungen auf eine mutmaßliche (!] Hetz- oder Schmutzkampagne des politischen Gegners berufen. Oft mögen beide Argumentationsweisen ja sogar stimmen.

Hier geht es aber nicht um politische Standpunkte, bei denen man berufsgemäß unterschiedlicher Auffassung ist, sondern tatsächlich einmal um die Sache. Es geht dieser Vorwurf ja auch nicht den CSU-Politiker, sondern den Menschen Guttenberg etwas an. Das ist für ihn wohl das große Problem, dass er die möglichen negativen Konsequenzen hierbei nicht wird delegieren können. Er ist allein für seine Doktorarbeit verantwortlich und wird sich dafür verantworten, dass er in ihr „gemogelt“ hat.

Und wie es nun gelten sollte, dass man ihn „ohne Ansehen der Person“ – wie es in der Juristerei so schön heißt – behandeln muss, so gilt dies auch für diejenigen, die seine Verfehlungen aufgedeckt haben. Es geht schließlich nicht darum, wem eine Bestrafung Guttenbergs etwas nützt, sondern ob sie rechtens ist. Darüber kann sich, wie gesagt, jeder selbst ein Bild machen.

Wieso nur?

Die Fragen, die man sich im Anschluss wird stellen müssen, sind das eigentlich Interessante daran. Nämlich wieso dieser Betrug nicht schon vorher aufgefallen ist und womit das laut fachkundiger Rezension „mehr als schmeichelhafte“ Prädikat „summa cum laude“ begründet worden ist. Das lässt abermals tief in die Seele des Universitären blicken und kaum auf scharfe Sanktionen hoffen. Vermutlich bleibt das Einzige, was die Verantwortlichen der Fakultät dazu bringen könnte, ihren eigenen Fehler anzuerkennen, der absolute Verlust an Glaubwürdigkeit, der droht, falls sie es nicht tun.

Und dann stellt sich noch die Frage, wieso der Freiherr es überhaupt getan hat. Für mich, obwohl nicht gerade als „Guttensteph“-Fan bekannt, die größte Unklarheit hier. Schließlich ist der Betrug einerseits so stümperhaft – er hätte die Passagen zumindest umformulieren können – andererseits so unnütz, denn er hätte die Passagen auch einfach angeben und auf ihrer Grundlage etwas Ähnliches formulieren können. Dass wäre legitim gewesen und seinem Doktorvater wohl auch nicht weiter aufgefallen – schließlich hat er die Prüfung der Fußnoten kaum allzu genau genommen. Entweder traut er sich also solch eine Leistung nicht zu, oder hält „Legitimität“ schlicht für verzichtbar und sieht keinerlei Verfehlung darin zu stehlen und zu betrügen.

Oder aber er sieht sich selbst tatsächlich als unangreifbar durch solcherlei Kritik. Denn zu guter Letzt: Er hätte sich doch denken können, dass er damit auffliegen wird. Auch wenn sein Doktorvater ihm wohlgesonnen sein mag, sind Doktorarbeiten aufstrebender Politiker immer irgendwann einmal im Fokus zumindest irgendeines Journalisten. Dass er es trotzdem getan hat und nun, wo sein Betrug aufgedeckt wurde, sofort alle Anschuldigungen mit seiner typischen Unfehlbarkeitsmimese als „abstrus“ wegwischt – dass lässt vielleicht am Tiefsten blicken. Dieser Mann hält entweder sich für unfehlbar oder alle Anderen für ziemlich dumm. Er fühlt sich keinem Regelwerk verpflichtet, auch keinem Titel und ist somit das Gegenbild des idealen Adeligen, zu dem er sich so gerne stilisieren lässt. Da hilft auch keine weitere Imageübernachtung in "einem der gefährlichsten Außenposten Afghanistans“ (*machogrunz*) weiter.

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17. Februar 2011
Guttenberg Roadkill
gonzosophie | 17. Februar 11 | Topic 'Zur Sache selbst'

Man hört ja allenthalben, der Literaturbetrieb sei nur etwas für die gebildeten Stände und in seinem Elitarismus nur noch durch seine Weltferne übertroffen. Wie falsch dieses Urteil ist, zeigt sich spätestens dann, wenn die Skandale aus dem Bereich der Literatur das öffentliche Leben einholen.

Hegemann lässt grüßen

Gestern noch der beliebte Newcomer, Medienliebling und Wunderkind, auf welches sich die Nachwuchshoffnung einer ganzen Nation projeziert hatten und plötzlich kommt heraus: Das war alles nur geklaut. Nein, diesmal geht es nicht wieder um Helene Hegemann und ihre großzügig ins Plagiieren ausschweifende Auffassung von Inspiration durch Dritte. Es geht abermals um Karl Theodor „zu“ Guttenberg, der allem Anschein nach große Passagen seiner Doktorarbeit wortwörtlich übernommen und nicht gekennzeichnet haben soll.

Fraglich bleibt jedoch, ob er sich auch wie eben jene herauszureden vermag und nunmehr behaupten wird, das Plagiat sei nun einmal modernes Stilmittel und die Krone der Intertextualität. Für einen Juristen wird diese Argumentation zwar äußerst amüsant, jedoch sicher wenig entlastend sein. Ihm droht die Aberkennung seines Titels – des Doktortitels freilich, denn der Adelstitel wird durch Leistung nicht erworben und kann dementsprechend durch Fehlleistungen niemals aberkannt werden.

Der Titelverteidiger

Handelt er nunmehr so, wie es ein K.T. Guttenberg in Krisenzeiten nun einmal zu tun pflegt, darf man gespannt sein, wessen Köpfe rollen werden. Wo sich bei einer eigenverantwortlichen Studienleistung allerdings die Untergebenen finden lassen, auf welche man einfach die Schuld schieben könnte, erschließt sich mir noch nicht. Vielleicht schiebt er eine Sekretärin vor, oder einen Studien“freund“. Da zeigte sich der Herr Minister in seiner Vergangenheit doch oft äußerst kreativ – anders als wohl in seiner Doktorarbeit.

Das muss man konservativen Ministern aber vielleicht nachsehen, schließlich ist er nicht der Einzige innerhalb dieses Kabinetts, dessen Doktorarbeit zumindest sehr fragwürdig erscheint. Wenn man sein Personal allerdings möglichst jung, unbelastet und vor Allem schnell mit akademischen Würden auszeichnen möchte - damit es sich auf dem Wahlzettel besser macht – muss man sich wohl auf solche Verfahrensweisen verlegen.

Konservative Wissenschaft – Ganz neue Erenntnisse

Wo die Schröder, geborene Köhler, also eine Doktorarbeit über ihre eigene Partei verfasste, wobei sie freundliche Unterstützung durch mehrere Hilfs(schreib)kräfte seitens der Partei genoss und sich der wissenschaftliche Wert ihrer Arbeit wohl nur Mitgliedern jener Partei selbst erschließen wird, hat Guttenberg schlicht abgeschrieben. Literarisch, juristisch vielleicht ein Kavaliersdelikt – für Wissenschaftlicher aber eine Todsünde. Die Mitglieder dieses Kabinetts jedoch für Technokraten zu halten, wäre allenfalls für einen guten Witz tauglich.

Das Verteidigungsministerium hat den Vorfall übrigens schon kommentiert: Man sehe den Anschuldigungen gelassen entgegen, schließlich habe man „nach bestem Wissen und Gewissen“ gehandelt. Das klingt so souverän, ja schon absolutistisch, dass es nur aus dem Mund des Freiherren selbst stammen kann. Warum verfasst eigentlich das Verteidigungsministerium in einem Fall von universitären Plagiatsvorwürfen Stellungnamen? Vielleicht ist dies ja der ominöse Fall, für den man vorher eine Grundgesetzänderung bezüglich des Einsatzes der Bundeswehr im Inneren angestrengt hat.

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