Gonzosophie
21. Oktober 2010
Networking unter Bierzeltbedingungen
gonzosophie | 21. Oktober 10 | Topic 'pure Berichterstattung'
Der Reportage zweiter Teil

Schon zum dritten Mal innerhalb eines Jahres in einer VIP-Lounge zu sitzen, diesmal noch dazu mit tatsächlich bekannteren Menschen, das stimmt einen schon nachdenklich. Und es widerspricht eindeutig meinem degenerativen Modell der Biographiefunktion (f(B)=0-t²). Zählbares ist jedenfalls auch diesmal nicht dabei heraus gesprungen, außer natürlich dem gratis Kugelschreiber, mit welchem ich diese Notizen hier verfasst habe und zumindest für das leibliche Wohl wurde in ausreichendem Maße gesorgt.

Wie ist sie also gelaufen, meine Podiumsdiskussion? Vom Wirkungsgrad her nicht besonders, stehen doch 14 Stunden Anreise nur etwa 5 Minuten Redezeit und vielleicht 4 Fragen gegenüber. Diese waren auch noch derart trivial, dass es meiner Person sicher nicht bedurft hätte, sie zu beantworten („Wie wäre das für Sie als Autor, wenn jemand von Ihnen abschriebe?“). Der Moderator, seines Zeichens Jurist, entschuldigte sich hinterher bei mir dafür, aber er habe nun einmal „von Blogs keine Ahnung.“ Ich nehme es ihm auch nicht übel, schließlich war ich in einer Diskussion mit derart juristischer Einfärbung etwas deplatziert. Das jedoch hat mich angesichts der vorherigen Themenumschreiben schon etwas gewundert. Schwamm drüber. Aus der hauseigenen Berichterstattung geht meine quasi Abwesenheit jedenfalls nicht hervor. Ich betrachte das Ganze einfach als gratis Rechtsberatung und interessant war es ja trotz alledem.

Bezahlte Kunst

Nur manchmal musste ich meinen Unmut etwas unterdrücken, wenn in Hinsicht auf Vertreter der Musikindustrie („Künstler“) von einer schrumpfenden und in diesem Sinne nicht mehr angemessenen Bezahlung gesprochen wurde, gegen welche sie sich zu wehren hätten. Bei über einer Million „Aufstocker“, deren Ganztagsarbeit in diesem Land nicht einmal für das Überschreiten der Armutsgrenze ausreicht, finde ich in diesem Kontext die Rede von „angemessener Bezahlung“ doch etwas schwierig – heute würde man wohl sagen: unerträglich.

Ich selbst habe schon Texte als Auftragsarbeit für weniger als einen Cent (in Zahlen: 0.008 €) pro Wort verfasst. Rechnen Sie einmal nach, wie viele Worte sie da in einer Stunde erdenken, aufschreiben und korrigieren müssen, um nur in die Nähe irgendeines Mindestlohnes zu kommen. Als Vertreter der brotlosen Künste ist man jedenfalls der Hochschule Mittweida sehr dankbar für die warmen Mahlzeiten und das kostenlose Doppelzimmer mit Panoramablick samt Halbpension in einem namhaften Hotel. Welchen Namen es trug, kann ich Ihnen übrigens an dieser Stelle nicht mitteilen. Mein Erstaunen über die großzügigen Finanzspritzen für das Medienforum Mittweida durch diverse Sponsoren hat sich nämlich etwas gelegt, seitdem ich mich selbst dabei ertappt habe, gleich im ersten Teil meines Berichts mit entsprechenden Firmennamen aufzutrumpfen. Ich gelobe Besserung und unterlasse im Weiteren solch Produktplatzierung.

Die üppige Ausstattung und professionelle Organisation des Medienforums Mittweida soll dennoch Erwähnung finden. „Luxus“ wäre eine Untertreibung, wo man heutzutage angesichts der Hartz4 Sätze bereits von römischer Dekadenz redet. Selbst Ich hatte eine „persönliche Ansprechpartnerin“, die mich in genannten Karossen herum chauffieren ließ und sich in meinem Terminplaner besser auskannte, als ich selbst. Sie tat mir manchmal etwas Leid, denn als Studentin durfte sie an den wirklich interessanten Veranstaltungen, wie etwa der Bierzeltgaudi, höchstens zapfend und wuchtend im Dirndl teilnehmen. Aber ich werde schon wieder viel zu sozial.

Gonzosoph auf Abwegen

Dieses Gutmenschentum kann ich sogleich anders akzentuieren und zwar mit folgendem Verweis: Den anwesenden Cherno Jobatey, mit dem ich kurz über Florian Silbereisen sprach und der hinterher die besagte bavarische Folklore moderierte (ein Kapitel für sich – bayrisches Bier und sorbische Volksmusik samt sächsischer Küche, anmoderiert von C.J. - melting-pot Mittweida), hielt ich die ganze Zeit für Mola Adebisi. Das müssen Sie entschuldigen, ich stamme aus der Provinz und deshalb besteht für mich zwischen verschiedenen anders pigmentierten Menschen leider Gottes wohl immer noch Verwechslungsgefahr. Mein unterirdisches Namensgedächtnis tut sein Übriges dazu. Herr Jobatey füllte jedenfalls seine Rolle als Sympathieträger recht gut aus, auch wenn ich ihn vorher durch seinen Auftritt in „Zimmer frei“ eher in schlechterer Erinnerung gehabt hatte. Interessant zu beobachten war auch die Rotte angehender Medienmenschen, die ihn noch bis zum Buffet zu verfolgen schien.

Gonzosoph im Aufwind

Da sind wir auch schon mitten in der ureigenlichsten Materie, weshalb so ein Kongress veranstaltet und besucht wird: Networking. Es geht ja nicht darum, was man sagt oder hört, sondern wen man trifft und bestenfalls sein Kärtchen zustecken kann. Ich hatte sowas schon geahnt, jedoch war ich in diesem Ausmaß nicht darauf vorbereitet. Ich habe ja nicht einmal ein Kärtchen. Was sollte darauf auch stehen? Wobei, mittlerweile verzichten Cracks dank Webpräsenzen doch sowieso auf derlei Printmedien. Ungeachtet solcher Widrigkeiten habe ich dennoch den ein oder anderen interessanten Menschen getroffen und durchaus fruchtbare Unterhaltung geführt. Explizit erwähnt sei Simone Janson (Networking!), deren Tipps zur Selbstvermarktung mich hoffentlich aus diesem Tal der Trübsal – genannt Unbekanntheit – herausführen und meinen Blog in nie geahnte Trafficsphären führen mögen. Angeblich ließe sich dann sogar Geld damit verdienen. Ja, keine „dshins“, sondern wirkliches Geld für das man einkaufen gehen kann!
Meine Tipps für das Networking sind übrigens ganz einfach:

1. So tun als ob man Erfolg hat.
2. Andere daran teilhaben lassen.

Ganz in diesem Sinne habe ich mein Namensschildchen („Referent: Friedhelm Robben – Autor“) lässig in der Sakkotasche getragen, denn wer so bekannt ist wie ich, setzt auf klassisches Understatement. Zumindest der abendliche Fahrdienst gab an mich zu kennen. Auf meine ungläubige Nachfrage hin teilte er mir mit, alle Mitarbeiter seien im Vorfeld zu jedem einzelnen Referenten „gebrieft“ worden – auch zu mir. Da wäre ich unglaublich gerne dabei gewesen.

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