Gonzosophie
19. Februar 2009
Zur Sache selbst
gonzosophie | 19. Februar 09 | Topic 'Zur Sache selbst'
„Nach Artikel 15 können Grund, Boden, Naturschätze und Produktionsmittel in Gemeineigentum überführt werden. Der Artikel kam noch nie zur Anwendung. Er wurde vor allem in den frühen Jahren der Bundesrepublik diskutiert, als es darum ging, in welche Richtung sich die Gesellschaftsordnung entwickeln sollte.“ (tagesschau.de)

Besagter Artikel zur Enteignung wurde damals nicht nur diskutiert, er wurde offensichtlich ins Grundgesetz aufgenommen und gehört damit zu unserer „objektiven Wertordnung“. Dass die Bundesrepublik in ihrer Entstehung viel mehr sozialstaatlich gedacht war, als man sie heute denkt, ist ein offenes und gern totgeschwiegenes Geheimnis. Gerade eine christsoziale Unionspartei, deren linker Flügel damals für einen Sozialismus mit christlichem Antlitz eintrat, wollte davon lange Zeit nichts wissen. Umso erstaunlicher, dass unter Beteiligung eben dieser Partei eine solche ursozialistische Forderung abermals in einer Regierungskoalition ausgearbeitet wird. Letztlich stellt sich die Frage, warum bei Kapitaleigentum nicht recht sein soll, was im Falle von Privatsphäre, Landbesitz oder Geburtshaus nur billig ist. Neben der erst kürzlich zaghaft beschnittenen Steuerfreiheit genießen Kapital und Einkünfte aus selbigen in diesem Land wohl eine ganze Reihe von Privilegien, die eine Kapitalenteignung so obszön erscheinen lassen.
Dass also in den „Wir sind die Mitte“-Parteien ein neokonservatives Tabu nach dem andern fällt (Subventionen, regulierte Finanzmärkte, staatliche Mitspracherechte usw.) kann eigentlich nur begrüßt werden. In lautes Hurrah-Geschrei lässt sich dennoch nicht verfallen. Warum? Nicht einfach, weil es eine momentane Krise zu bewältigen gilt, sondern weil diese Verstaatlichung nur der dem Bürger am leichtesten zu plausibilisierende Weg ist, Milliardenbeträge in ein Unternehmen zu stecken, das nur wenige hundert Arbeitsplätze aufrecht erhält. Nebenbei entschädigt (im wahrsten Sinne) man auf diesem Wege noch Aktionäre, deren Anteile marktwirtschaftlich kaum mehr wert sind als Komforttoilettenpapier. Diejenigen Aktionäre, die ihre Papiere marktgerecht zu einem Konkurspreis abstießen, können sich hernach nur über Dummheit ärgern. Wessen Dummheit , das bleibt die Frage.

Das bleibt die Frage in einem Finanzwirtschaftssystem, dass uns in den letzten Jahren äußerst wirksam weißgemacht hat, dass staatliche Unterstützung vollkommen unsicher sei und man anstatt auf eine staatliche Rente zu setzen lieber einer privatwirtschaftliche Altersvorsorge vertrauen sollte. Diese sei krisensicherer und renditefreudiger. Was davon zu halten ist, sehen wir nun gerade bei den ehemaligen Zugpferden der privatwirtschaftlichen Renditenproduktion – sie sollen in sog. staatliche „Mobilisierungsfonds“ überführt werden. Dass bei kränkelnden, hilfesuchenden Unternehmen trotzdem noch Gewinnausschüttungen stattfinden, ist kaum verwunderlich. Gewinne wurden ja auch lange Zeit erwirtschaftet, schließlich sind weder Konzernzentralen noch Luxusyachten ihrer Insassen mit reiner Phantasie bezahlt worden. Wer sie allerdings bezahlt hat, das erraten sie schnell, wenn sie in den aktuellen Bundeshaushalt hineinsehen.
Und so muss man auch nicht lange raten, wer zukünftig die Rentenversicherung derjenigen zu zahlen hat, deren Rentenversicherer innerhalb der Pustefix™-Blasen der nächsten 40 Jahre zerstäubt. So die Weltwirtschaft will wohl derselbe, der sie in den letzten 40 Jahren bezahlt hat. Das hätte man aber doch auch so haben können, ohne Konzernzentralen und Luxusyachten. Die Opel fahrenden Beamten in ihren muffigen Amtsstuben haben wenigstens schon 20 Jahre vorher erkannt, dass die Rente in ihrer bisherigen Form auf massive Probleme stoßen wird. Die Yachtfahrer wollen es immer noch nicht wahr haben, ein halbes Jahr nach Beginn der massiven Probleme. Warum auch? Es ist ja nicht so als hätten sie abseits außerplanmäßiger Spesenreisen größere Schwierigkeiten zu erwarten.

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