Gonzosophie
19. November 2007
homo ludens
gonzosophie | 19. November 07 | Topic 'Selbstbehauptung'
Einen schönen Traum geträumt zu haben, das ist vielleicht schon etwas Wertvolles. Im Dunkeln mit Ruhe zu versinken. Dem Wahnsinn nur mit ausgeprägter Müdigkeit zu begegnen. Nein, mich steckt die dumpfe Hektik nicht mehr an. Ich flittere zwischen Tag und Nacht, Sein und Selbst-Sein. Nehme Abstand. Bleibe flüchtig. Pflüge Augenringe unter. Mein Lächeln ist abstinent. Die Freiheit von sich selbst im Spiele finden; die „als ob“ Einheit mit sich selbst als Oszillation zwischen Ideal und Realität – als Korrektiv. Ich bediene mich der Ironie, der Selbstironie als Werkzeug der Distanz zu romantischer Weltverklärung, idealistischer Hoffnung aber auch zu den menschlichen Zwängen. Nur den Mut zum Taumel nicht verlieren, zu glauben, zu verzweifeln, Mensch zu bleiben unter den Zwangwesen. Ihr Spiel beobachten, sich darauf einlassen mit seinen strikten Regeln und Sanktionen. Aber eben nur als das was es ist, als Spiel. Das bleibt ein schöner Traum, ein wertvoller vielleicht.

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corpus vile
gonzosophie | 19. November 07 | Topic 'Autopoiesis'
„dass das Vorhandene schön und gut sei, können wir fordern; daß das Schöne und Gute vorhanden sei, bloß wünschen. […]
Es ist das Kennzeichen guter und schöner, aber jederzeit schwacher Seelen, immer ungeduldig auf Existenz ihrer moralischen Ideale zu dringen und von Hindernissen derselben schmerzlich gerührt zu werden. Solche Menschen setzen sich in eine traurige Abhängigkeit von dem Zufall, und es ist immer mit Sicherheit vorher zu sagen, dass sie der Materie in moralischen und ästhetischen Dingen zu viel einräumen und die höchste Charakter- und Geschmacktsprobe nicht bestehen werden.“

(Friedrich Schiller, "Über das Erhabene")



Sieh dich nur an. Das ist nun aus dir geworden, ein müder, alter Mann von nicht einmal 30 Jahren. Grau und ganz für dich. Und das durch dich, genau wie du es wolltest.
Du warst konsequent in dem Wenigen, das du getan hast. Du hast dich selbst verwirklicht, dein Sein in das Du-Sein gewandelt. Bis auf die letzte Faser hast du alles aus dir heraus gepresst, was nicht du selbst war. Und warum? Um wahrhaft zu sein. Um dich selbst respektieren zu können, damit auch Andere dich respektieren könnten. Um nicht allein sein zu müssen. Die Wahrheit ist: Du bist allein. Es ist nicht wahr, dass man sich selbst lieben muss, um andere lieben zu können. Sehr wahr ist dagegen, dass man sich selbst lieben muss, damit Andere einen lieben.
Das tun sie nicht. Du hast dich verwüstet. Die zerrissenen Ketten lasten schwer auf dir, die Konsequenz deiner Freiheit. Sie hat dich unfrei gemacht. Deine konsequente Freiheit sollte dich zu deinem wahrhaften Selbst bringen. Die einzige Konsequenz dieses Selbst ist das Scheitern an deiner Freiheit. So total wie du geworden bist, wird dein Scheitern sein.
6 Jahre hast du nun damit verschwendet so zu werden wie du denkst das Menschen sein sollten. Als Selbstexperiment, als Exemplum wieder den Ausreden, dem anglich unüberwindlichem Zwang der Dinge, der Gesellschaftswelt. Du wusstest es besser, wie du es immer besser weißt. Du hattest sogar Recht: Man kann prinzipientreu, kann moralisch sein. Man kann seine Freiheit und Spontaneität darin ausleben, sich immer wieder neu für das Moralische, das Gute zu entscheiden. Und man weiß eigentlich immer auch was das ist, solange man sich nur erlaubt darüber nachzudenken, inne zu halten, einen kleinen Schritt zurück zu treten.
Du bist zurück getreten, viele Schritte. Nun siehst du alle Anderen an dir vorbeilaufen. Du hast das Laufen verlernt, hast diese Menschen dir verlernt. Alles, was dir noch bleibt ist Rechenschaft abzugeben über Dinge, die du nicht getan hast. Tun kannst du sie nicht mehr, in ihren Konseqzenzen statt in deiner zu leben scheint dir unmöglich. Du darfst es nicht.
Früher hast du zugehört. Wenn du nun sprichst, dann nur noch über dich. Hör dir doch einmal zu. So vielen Leuten willst du sagen, dass du nicht mehr mit ihnen sprechen möchtest. Dabei redet lange schon niemand mehr mit dir. Ihr habt längst verschiedene Sprachen, sie mit sich und du mit dir. Du bleibst immer nur der Fremde in der Fremde dieser Fremden. Siehst ihnen dabei zu wie sie die Dinge tun, die sie für dich immer nur noch fremder machen. Und langsam wird dir klar, worin die Rechtfertigung ihrer Ausreden, der Zwang der Dingwelt besteht.
„Es gibt kein richtiges Leben im Falschen“, das bedeutet ganz praktisch, dass alles was dir gut und richtig ist nicht passt in dieses Leben. Es bleibt Gedanke, leerer Gedanke. Und du, der du nach Nähe und Freundlichkeit gesucht hast wirst sie niemals finden. Je mehr du versucht zu kommunizieren, umso klarer wird dir wie frustrierend deine Sprachlosigkeit angesichts dessen ist, wie du immer hilfloser mit ihnen und sie mit dir umgehen. Ironie und Sarkasmus versagen langsam.
Und so verstummt auch dein Schreiben, denn es gibt nur noch selten diese Momente in denen du dich von den Implikationen deines Ich-Gefühls frei machen und an ihm erfreuen kannst. Selten Nächte, die dich an- statt vor sich her treiben. Du bist zu deinen Gedanken geworden, doch dass ist die ultima frustratio für einen Idealisten in einer starren Welt. Du hast nicht gelernt deine Welt dem Außen anzupassen. Jeglicher Kontakt ist unmöglich geworden. Du bleibst in der Fremde.



"Entfremdet früh dem Wahn der Wirklichkeiten,
versagend sich der schnell gegebenen Welt,
ermüdet von dem Trug der Einzelheiten,
da keine sich dem tiefen Ich gesellt;
nun aus der Tiefe selbst, durch nichts rühren,
und die kein Wort und Zeichen je verrät,
musst du dein Schweigen nehmen, Abwärtsführen
zu Nacht und Trauer und den Rosen spät."

(Gottfried Benn, "Abschied")

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