Gonzosophie
2. Januar 2008
Ulkus IV
gonzosophie | 02. Januar 08 | Topic 'Autolyse'
Es hat geklappt. Der Clip sitzt noch. Es blutet nicht mehr. Gleich geben sie mir nach 6 Tagen endlich wieder etwas zu essen - probehalber. Mit gemischten Gefühlen trete ich daran. Es ist schwierig mit ungekanntem Hunger langsam und vorsichtig zu essen, den Rest zurückgehen zu lassen, wenn der Magen voll ist, obschon der Körper noch weiter nach Nahrung lechzt. Aber nach drei Rückfällen kennt man die möglichen Konsequenzen. Man wird vorsichtiger und man weiß jeden Bissen zu schätzen, jeden Geschmack. Mehr als das Essen fehlt der Geschmack. Ich habe mir, hungernd daliegend, Kochsendungen angesehen - Trüffelragout. Das half zumindest sich zu erinnern, sich vorzustellen. Das Gehirn behält Geschmäcker zurück, für schlechte Zeiten vielleicht. Hoffentlich kann es nun wieder hamstern. Ich hab einen ganzen Schrank voll von Schokolade, selbstgebackenen Keksen, Nougat, Zartbitter, Weihnachtsmandeln. Ein Weihnachten, dass noch auf mich wartet. Es beginnt das Jahr nicht, bevor ich eine Tasse Kaffee mit Spekulatius genossen habe. Dann kann es kommen, das Neue.

Da ist das neue Jahr, im Nebel hat es sich angeschlichen, nachts. Plötzlich war 2008, Rattern, Pistolensalut und Feuerschein. Alles wie immer, nur ich nicht. Anämie, nüchtern und irgendwie müde, mit einer Waffe in der Hand. Seltsame Zeitenwechsel. Immerhin, seit Tagen kein Blut mehr gesehen, keine Nadel. Ich kann wieder essen und ich esse viel. Kein Wunder: 7 Kilo über die Feiertage verloren, nur noch 66k wiege ich nun - Fliegengewicht. Viel Schlaf, lesen, Zeit vertrödeln. Es hilft, nicht mehr über die Menschen nachzudenken, die mich bluten ließen. Melissentee. Aber was hilft es Homer zu lesen, den Werther? Wozu soll das führen außer zu einer Blutung; wohin, wenn nicht in sich selbst. Dahin, woher ich komme – alles normal, jetzt. Bleich wie immer. Und brennend hungrig.

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30. Dezember 2007
Ulkus III
gonzosophie | 30. Dezember 07 | Topic 'Autolyse'
Frohe Weihnachten. Seit 3 Tagen außer Pillen nichts gegessen. Eben wurde mir mitgeteilt, dass die Gastro heute ausfällt, der Arzt ist wohl schon im Urlaub - nüchtern soll ich natürlich noch bleiben, zumindest bis morgen. Dann sind es schon 5 Tage nichts als lecker Antibiotika, Eisenpillen und Tropf. Morgen darf ich den Mitinsassen dabei zusehen, wie sie Gans oder Filetsteaks zum Mittag bekommen. Saure Gedanken. Was sich nun in meinem Innern abspielt sagt mir niemand. Blutwerte sind stabil. Ich fühl mich einigermaßen. Geduscht, rasiert. Schlapp, Hunger. Heute kommt Weihnachtsbesuch. Ich hab keine Geschenke, hatte als Lastminutemensch keine Zeit, welche zu kaufen. Regelmäßig höre ich wieder die Frage "Sind sie immernoch hier?". 16 Tage sind es nun schon. Frohe Weihnachten.

Ärzte sind auch nur Menschen. 2 Wochen haben sie nun an mir rumgedoktert. Mehrfach gelasert, unterspritzt usw. Jedes mal fing es wieder an zu bluten. Jedes mal nachdem ich wieder normal essen durfte. „Schneiden sie die Kruste des Brotes eigentlich ab? Die dürften sie normalerweise gar nicht bekommen“. Gut, dass man mir das nach 10 Tagen und drei Rückfällen gesagt hat. Nun haben sie über die Feiertage einfach mal gar nichts gemacht, obschon es geplant war, aber es hat ja kein Arzt Zeit. Für mindestens 6 Tagen gar nichts zu essen. So sind zumindest die Werte stabil. Das wird als Erfolg verkauft, als geplante Maßnahme. Im Befund stand noch etwas von baldiger Nachfolgeuntersuchung und abermals Speiseaufnahme. Egal. Zwei Wochen Therapie haben nichts gebracht, lediglich alles vernarbt, Nichtstun führt nun scheinbar zur Heilung. Hurrah. Ob es mit mir nun wirklich bergauf geht, kann mir niemand sagen. Die Gastroskopie macht Urlaub. Auf Nachfragen wird mir gesagt „Seien sie froh, dass sie noch einen Magen haben. Wunderbar. Die Frage, wessen Verdienst das ist, habe ich nicht in den Raum gestellt. Aber es geht mir gut, vielleicht heilt nun endlich alles. Sollte ich jedoch irgendwann mal halbtot umfallen und zufällig auf meppener Boden aufschlagen, egal wie ernst es ist: Bitte bringt mich woanders hin.

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